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Philipp Wehrli, 4. August 2006, ergänzt am 26. April 2013 um den blinden Fleck
Der vorliegende Artikel ist eine stark gekürzte Zusammenfassung des ausgezeichneten Buches (Dit 1).
Darwins Evolutionstheorie zeigt sehr einfach, wie bereits bestehende Eigenschaften eines Tieres oder einer Pflanze nach und nach verbessert wird. Giraffen mit kurzen Hälsen können nach vielen Generationen durch Selektion und Mutation lange Hälse entwickeln. Langsame Hasen werden schneller, kleine Weizenkörner können durch geschickte Auswahl grösser gezüchtet werden. Wie aber sollen völlig neue Organe entstehen, wie z. B. ein Linsenauge? Ein halbes Linsenauge nützt nichts! Wie soll durch Zufall plötzlich ein fertiges Auge da sein? Braucht es für solche Erfindungen doch einen Schöpfer?
Grundregel: Evolution kann nur funktionieren, wenn jeder kleinste Schritt einen Vorteil bringt.
Denn wenn eine zufällige Mutation einen Nachteil bringt, stirbt das Lebewesen mit der neuen Eigenschaft aus. Wenn sie keinen Vorteil bringt, vermischt sich der Mutant mit anderen Lebewesen und die Eigenschaft wird nicht weiterentwickelt. Wenn der Hals der Giraffe auch nur ein bisschen länger wird, ist dies jedes Mal ein Vorteil, der von der Selektion sogleich belohnt wird.
Mit dieser Grundregel ist überprüfbar, ob die Lebewesen auf der Erde von einem Schöpfer geschafften wurden oder nicht. Wenn ein Lebewesen eine Eigenschaft oder ein Organ hat, die erst dann nützen, wenn viele Mutationen gleichzeitig passiert sind, dann brauchte es einen Erfinder, um diese Eigenschaft zu erschaffen. Dies wäre der Beweis, dass es einen Schöpfer gibt oder zumindest ein Ziel in der Entwicklung der Lebewesen. Einzelne Mutationen passieren häufig. Vielleicht treffen auch mal zwei oder drei zusammen. Dass aber zehn oder zwanzig Mutationen gleichzeitig passieren und sich zu einem nützlichen neuen Organ ergänzen, das ist sehr unwahrscheinlich. Dies könnte Darwins Evolutionstheorie nicht erklären.
Wissenschafter versuchen fortwährend, ihre eigenen Theorien zu widerlegen. Deshalb suchen die Biologen solche komplizierten Organe und schauen, ob sich diese in kleinen nützlichen Schritten haben entwickeln können. Eines der kompliziertesten Organe ist das Linsenauge. Überlegen wir also mal, wie das Linsenauge in kleinen Schritten hätte entstehen können. Dabei fragen wir uns ständig: Weshalb sollte die Natur ausgerechnet diesen Schritt tun? Ist jeder dieser Schritte nützlich?
Ausgangspunkt Licht bringt Energie
Manche Einzeller machen Photosynthese. Das heisst, sie können Energie des Sonnenlichtes aufnehmen und verwerten. Manche dieser Bakterien können die Energie in Bewegungsenergie umwandeln. Sie haben eine Geissel, die ausschlägt, wenn sie beleuchtet wird (Abbildung 1) und heissen deshalb Geisseltierchen. Durch die Bewegung der Geissel wird das Geisseltierchen in Richtung Geissel vorwärtsgetrieben. Geisseltierchen sind umso überlebensfähiger, je mehr Licht sie kriegen. Es wäre gut, wenn sich die Geissel nur dann mit voller Kraft bewegt, wenn sie das Tierchen zur Sonne hin bewegt. Wie sieht das Geisseltierchen, ob es in Richtung Licht schwimmt?
Abbildung 1. Das Augentierchen Euglena
Das Geisseltierchen Euglena besitzt einen Augenfleck, der einen Schatten wirft. Wenn der Schatten auf das Basalende der Geissel fällt, behält Euglena die Richtung bei. Wenn Licht auf das Basalende fällt, dreht sich das Geisseltierchen so lange, bis der Schatten auf das Basalende trifft. So schwimmt Euglena immer auf das Licht zu.
Die Geissel der Euglena bewegt sich also anders, wenn Licht auf den Photorezeptor fällt. Wie soll sich aus diesem primitiven Mechanismus ein Linsenauge entwickeln?
1. Schritt: Je mehr Zellen, desto besser!
Eine einzelne Zelle wird leicht von grösseren Lebewesen gefressen. Ausserdem kann sie sich nicht so schnell bewegen. Zellen haben deshalb einen Vorteil, wenn sie bei der Zellteilung noch einige Zeit zusammenkleben. Je länger die Zellen zusammenkleben, desto länger sind sie geschützt. Jeder kleine Schritt, der zu einem besseren Zusammenhalt führt, bringt einen Vorteil. Tausend kleine Schritte bringen schliesslich den einen grossen: Es bilden sich Mehrzeller, bei denen die Zellen sich überhaupt nicht mehr voneinander lösen.
Wenn die Zellen schon einmal zusammenkleben, ist es vorteilhaft, wenn sie sich koordiniert verhalten. Wenn die Geisseln so miteinander verbunden sind, dass sie alle in die gleiche Richtung treiben, ist dies ein Vorteil. Jeder Schritt zu einer besseren Koordination bringt einen Gewinn. Bei grösseren Lebewesen müssen natürlich nicht mehr alle Zellen gleich gebaut sein. Es reicht z. B. bei einem Regenwurm, wenn einige Zellen lichtempfindlich sind. Beim Regenwurm sind die lichtempfindlichen Zellen über die ganze Haut verteilt, beim Kopf und am hinteren Ende sind sie allerdings etwas dichter.
2. Schritt: Nicht mehr Sehzellen als nötig!
Die lichtempfindlichen Zellen sind viel empfindlicher als Hautzellen und nicht so leicht zu ersetzen. Deshalb ist es nicht sehr praktisch, sie am ganzen Körper zu haben. Überhaupt ist es nicht sehr praktisch, völlig kugelsymmetrisch zu sein, wenn man sich fortbewegen will. Es ist von Vorteil, die kräftigen Zellen, die vorwärtstreiben, am hinteren Ende zu haben und am vorderen Ende die Sehzellen zu konzentrieren. Je grösser der Unterschied zwischen vorne und hinten, desto schneller kann sich das Tier vorwärts bewegen. Bei vielen einfachen Tieren sammeln sich deshalb die Sehzellen an wenigen Punkten.
Diese Ansammlungen von Sehzellen sehen z. B. beim Strudelwurm wie Augen aus (Abbildung 2). Die Sehzellen sind gleich gebaut wie Geisselzellen und sie haben sogar noch Geisseln, obwohl sie nicht mehr der Fortbewegung dienen. Sie sehen aber praktisch nichts und können nur dunkel von hell unterscheiden. Ausserdem merkt der Strudelwurm wie Euglena, von welcher Seite das Licht kommt. Dies gelingt umso besser, da zwischen den Augen ein Buckel liegt. Kommt das Licht von links, so liegt das rechte Auge im Schatten und umgekehrt.
Abbildung 2. Strudelwurm Obwohl die Augen beim Strudelwurm wie Linsenaugen aussehen, reichen sie bei weitem nicht aus, um dem Wurm ein Bild von seiner Umwelt zu geben. Der Wurm kann nur gerade hell und dunkel unterscheiden und erkennen, ob das Licht von oben oder von unten kommt.
3. Schritt: Augen schützen!
Die Augen des Strudelwurmes sind sehr anfällig für Verletzungen. Die Sehzellen sind besser geschützt, wenn sie in einer Vertiefung liegen. Auf diese Weise geschützte Augen hat z. B. die Napfschnecke. Wenn die Vertiefung genügend tief ist, ergibt sich völlig unerwartet ein weiterer Vorteil. Es ist nun viel besser sichtbar, aus welcher Richtung das Licht kommt. Das Richtungssehen ist sogar so gut, dass die Napfschnecke Bewegungen sehen kann: Eine völlig neue Qualität!
Abbildung 3. Auge der Napfschnecke Entwickelt hat sich die Vertiefung als Schutz. Unerwartet ergab sich dabei aber ein zusätzlicher Vorteil: Die Napfschnecke sieht viel besser als der Strudelwurm, woher das Licht kommt. Das rote Licht von oben bescheint nur den unteren Teil des Auges, das blaue Licht von unten nur den oberen. So kann die Napfschnecke sogar Bewegungen sehen, was der Strudelwurm nicht kann.
Bewegungen zu sehen war zu diesem Zeitpunkt nicht das Ziel der Evolution, und es brauchte dazu auch nicht den Plan eines Ingenieurs. Es gab zu diesem Zeitpunkt niemanden, der wusste, was es heisst, Bewegungen zu sehen und dass dies ein Vorteil sein könnte. Dennoch hat sich das Bewegungssehen entwickelt.
4. Schritt: Richtungssehen verbessern!
Das Richtungssehen war ursprünglich nicht das Ziel der Evolution. Als die Sehgrube vertieft wurde, lag der Vorteil im Schutz der Sehzellen. Das Richtungssehen hat sich zufälligerweise dabei ergeben. Nachdem Richtungssehen aber möglich ist, entpuppt es sich als Stärke und wird sogleich verbessert. Je tiefer die Sehgrube, desto besser kann die Richtung erkannt werden, aus der das Licht kommt.
Optimal ist dies beim Nautilus (Tintenfisch) verwirklicht. Das Auge ist zu einer Hohlkugel mit einem kleinen Loch geworden. Wie bei einer Lochkamera wird jeder Punkt der Aussenwelt genau auf einen Punkt auf der Netzhaut abgebildet. Zum ersten Mal hat ein Lebewesen auf der Erde ein vollständiges Abbild von der Umwelt in seinem Inneren (Abbildung 4). Diese völlig neue Eigenschaft hat sich Schritt für Schritt aus einer Augenmulde wie bei der Napfschnecke entwickelt, wobei jeder kleine Schritt einen kleinen Vorteil brachte.
Abbildung 4. Auge des Nautilus Jeder Punkt der Umwelt wird genau auf einen Punkt der Netzhaut abgebildet. Je kleiner das Loch, desto schärfer wird das Bild.
Man beachte auch die Ähnlichkeit mit der Induktion der Erkenntnistheorie. Der Nautilus hat kein a priori Wissen von irgendeinem Gott eingehaucht bekommen und doch hat er nun ein Abbild seiner Umwelt in seinem Innern. Er hat dieses Abbild nicht durch Deduktion von fest vorgegebenen Prinzipien geschlussfolgert, sondern die Evolution hat mit null Vorwissen begonnen. In ständigem Kontakt mit der Umwelt ist dieses Bild entstanden. Die Selektion sorgt dafür, dass unpassende Bilder aussterben. Die Lebenskraft des Nautilus beweist, dass sein Abbild mit der Realität zumindest eine gewisse Ähnlichkeit hat.
5. Schritt: Verstopfung vermeiden!
Das Nautilusauge hat das gleiche Problem wie eine Lochkamera: Je grösser das Loch ist, desto, unschärfer wird das Bild. Ist aber das Loch sehr klein so kommt viel zu wenig Licht hinein und man sieht auch nichts. Beim Fotoapparat hat man dieses Problem gelöst, indem man eine Linse einsetzte. Die Linse erlaubt eine grössere Öffnung, weil sie die Lichtstrahlen bündelt. Wie kann aber allein durch Zufall und Selektion eine Linse erfunden werden? Braucht es dazu einen Gott?
Das Nautilusauge hat noch ein zweites Problem. Weil das Loch so klein ist, verstopft es leicht, so dass der Nautilus überhaupt nichts mehr sieht. Was würde dagegen schützen?
Von den Rändern her wächst eine durchsichtige Haut. Je weiter die Haut zusammengewachsen ist, desto weniger verstopft das Auge. Gleichzeitig bildet sich eine durchsichtige Gallerthülle über der Netzhaut. Je mehr die Gallerte den Hohlraum füllt, desto weniger Dreck kann in das Auge kommen. Auch diese Entwicklung verläuft in tausenden von kleinen Schritten, von denen jeder einzelne einen Vorteil bringt. Die Haut wird zwar die Sehleistung leicht verschlechtern. Dies wird aber sicherlich aufgehoben durch den Vorteil, dass das Loch nun nicht mehr verstopfen kann.
6. Schritt: Haut kriegt Linsenform
Wenn das Loch mit einer durchsichtigen Haut überwachsen ist, ist das Auge geschützt. Aber noch immer ist das Auge nur eine Lochkamera. Wie wird die Linse erfunden? -Je mehr die Haut die Form einer Linse kriegt, desto besser sieht das Auge. Wieder bringt jeder kleine Schritt in Richtung Linse eine kleine Verbesserung. Niemand hatte davor die Vision einer Linse. Dennoch ist die Linse entstanden (Abbildung 5).
Das Linsenauge ist keine Erfindung!
Die obige Schilderung zeigt, dass durch Mutation und Selektion qualitativ neue Eigenschaften entstehen können. Ist dies aber auch so geschehen? Hatte vielleicht nicht doch ein Schöpfer die Idee des Linsenauges, einen Plan, lange bevor es Linsenaugen gab? Spontan würde man denken, dass diese Frage niemals entschieden werden könne. Das stimmt aber nicht. Denn die Evolution hinterlässt Spuren. Sie macht Fehler, die kein vernünftig denkender Erfinder machen würde. Schauen wir doch mal eine Netzhaut genau an (Abbildung 6)!
Abbildung 6. Aufbau der Netzhaut nach (Lin 1)
Das Licht kommt von links, die lichtempfindlichen Zellen liegen ganz auf der rechten Seite. Damit das Licht überhaupt zu den Sehszellen kommt, muss es zuerst den Weg zwischen den Nervenleitungen und den Schaltzellen hindurch schaffen. Weshalb liegen alle diese Zellen und Nerven vor den lichtempfindlichen Zellen? Kein vernünftiger Kameramann würde seinen Kabelsalat ausgerechnet vor die Kamera hängen!
Schauen wir nun mal eine einzelne Sehzelle genau an (Abbildung 7).
Abbildung 7. Aufbau einer Sehzelle nach (Lin 1)
Es wird immer absurder: Auch in der Sehzelle liegt der lichtempfindliche Teil zuhinterst! Wer baut so etwas Hirnrissiges? -Die Lösung des Rätsels liegt in der geisselähnlichen Struktur in der Mitte der Zelle. Die Sehzelle war ursprünglich eine Geisselzelle! Wenn hinten auf den lichtempfindlichen Teil Licht fiel, gab es vorne in die Geisseln einen elektrischen Impuls, so dass die Geisseln sich geeignet bewegten. Dieser elektrische Impuls hat andere Zellen angeregt, ebenfalls elektrische Impulse auszusenden und koordiniert die Geisseln zu schlagen. Je grösser die Tiere wurden, desto unwichtiger wurde das Geisselschlagen. Viel wichtiger waren die koordinierten elektrischen Impulse, die heute noch ein Grundelement aller Gehirnprozesse sind.
Blinder Fleck
Eine Auswirkung dieser Fehlkonstruktion können wir mit einem einfachen Experiment zeigen. Betrachten Sie die Abbildung 8. Schliessen Sie bitte Ihr linkes Auge und schauen Sie mit dem rechten Auge auf das Kreuz. Nun nähern Sie sich dem Kreuz und lassen es nicht aus dem Auge. Wenn Sie etwa 17 cm vom Bildschirm entfernt sind, verschwindet der blaue Punkt.
Abbildung 8. Experiment zum blinden Fleck
Weshalb passiert das? – Betrachten Sie die Abbildung 5. An der Stelle, an der der Sehnerv angehängt ist, führen alle Nerven durch die Netzhaut hindurch. An dieser Stelle sehen wir nichts. Wenn der blaue Punkt auf diese Stelle im Auge abgebildet wird, sehen wir ihn nicht. Das Gehirn erfindet dann irgend etwas, was dort sein könnte. Weil überall rund herum gelb ist, nimmt das Gehirn an, dass auch beim Blinden Fleck gelb ist.
Es ist ungeschickt, dass die Nerven und Schaltzellen den Sehzellen die Sicht verdecken. Jeder Ingenieur würde den Bauplan ändern und die Nerven nach hinten wegführen. Das aber kann die Evolution nicht. Denn die Evolution ist kein Erfinder. Sie hat kein Ziel. Sie kann nicht sprunghaft einen Bauplan völlig verändern.
Weiterführende Artikel:
Darwins Evolutionstheorie
Weshalb gibt es sexuelle Fortpflanzung?
Weiterführende Bücher:
von Ditfurth, Hoimar, ‘Der Geist fiel nicht vom Himmel’, dtv sachbuch, München 1980.
Ein scharfsinniger Überblick über die Evolution des Bewusstseins. Ditfurth zeigt, wie die Evolution neue raffinierte Organe hervorbringen kann, ohne zielgerichtet zu sein und er zeigt gleichzeitig, dass das Weltbild der meisten Tier völlig anders aussieht als das der Menschen. Unbedingt empfehlenswert!
Philip Wehrli, ‚Das Universum, das Ich und der liebe Gott‘, (2017), Nibe Verlag,
In diesem Buch präsentiere ich einen Gesamtüberblick über mein Weltbild: Wie ist das Universum entstanden? Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? Was ist Bewusstsein und woher kommt es? Braucht es dazu einen Gott?
Viele Artikel dieses Blogs werden in diesem Buch in einen einheitlichen Rahmen gebracht, so dass sich ein (ziemlich) vollständiges Weltbild ergibt.
Leserunde bei Lovelybooks zum Buch ‚Das Universum, das Ich und der liebe Gott‘, von Philipp Wehrli (abgeschlossen)
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