Datierungsmethoden / Altersbestimmung

Datierungsmethoden / Altersbestimmung

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Philipp Wehrli, 23. September 2006

In der Evolutionstheorie und in der Kosmologie spielt die Altersbestimmung eine herausragende Rolle. Bei Kritiken an kosmologischen Modellen und an der Evolutionstheorie werden deshalb meist auch die Altersbestimmungsmethoden kritisiert. Deshalb stelle ich hier die Grundideen und die wichtigsten Methoden der Altersbestimmung vor. Für die meisten der sehr häufigen Diskussionen mit Kritikern der Evolutionstheorie reichen die zwei grundsätzlichen Überlegungen im ersten Abschnitt aus.

Inhalt

1. Zwei grundsätzliche Überlegungen
1.1. Verschiedene Datierungsmethoden bestätigen sich gegenseitig
1.2. Der relative Fehler zählt
2. Datierungsmethoden auf der Erde
2.1. radioaktiver Zerfall
2.1.1. C14-Methode (Radiokarbon Datierung)
2.1.2. Kalium-Argon Messung
2.1.3. Uran-Blei Datierung
2.1.4.Thermolumineszenz und Elektronenspinresonanz
2.2. Jahrringe (Dendrochronologie)
2.3. Mitochondrien DNA
2.4. Erosion, Verwitterung
2.5. Verschiebung der Kontinente
2.6. Schriftliche Zeugnisse
2.7. verschiedene Erdschichten
2.7.1. Erdschichten durch Pflanzenzerfall
2.7.2. Vulkanausbrüche
2.7.3.Sedimentation in Gewässern
2.7.4 Erosion
2.7.5. Kalkablagerungen über Höhlenmalereien
2.7.6. CO2 und O2 Einschluss im Eis
2.7.7. Jahrringe im Eis
2.8. Vergleich der Flora und Fauna
2.9. Vergleich von Werkzeugkulturen
3. Datierungsmethoden in der Kosmologie
3.1. Datierung als Distanzmessung
3.2. Expansion des Universums
3.3. Das älteste Gestein
3.4. Die ältesten Sterne

1. Zwei grundsätzliche Überlegungen

Die Datierungsmethoden werden von extremen Kreationisten regelmässig kritisiert, weil diese glauben, die Welt sei 4004 v. Chr. durch einen Schöpfer geschaffen worden und deshalb Mühe haben, Altersangaben von mehreren Millionen oder Milliarden Jahren mit ihrem Glauben zu vereinbaren. Bei solchen Kritiken wird meist mindestens eine der zwei folgenden Fakten missachtet:

1.1. Verschiedene Datierungsmethoden bestätigen sich gegenseitig

Eine wissenschaftliche Datierung basiert fast nie nur auf einer Datierungsmethode, sondern auf mehreren, die sich gegenseitig stützen. Angenommen eine Datierung basiert auf drei unabhängigen Methoden. Jede davon besagt mit einer Wahrscheinlichkeit von 80%, dass ein Gegenstand etwa das Alter x hat. Jede einzelne Methode ist also sehr unsicher, denn die Irrtumswahrscheinlichkeit der einzelnen Methode liegt bei 1/5. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass alle drei Methoden rein zufällig fälschlich dasselbe Alter x zeigen, wäre bei 1/55=1/125. Wir können also durchaus mit unsicheren Methoden auf ziemlich gut abgesicherte Schätzungen kommen.

In populärwissenschaftlichen Artikeln wird kaum je die ganze Überlegung beschrieben, die zur Datierung führte, sondern es wird meist nur eine einzelne Methode erwähnt. Deshalb erwecken solche Artikel leicht den Eindruck, als sei die Schätzung sehr wackelig und schlecht begründet.

1.2. Der relative Fehler zählt

Wenn eine Datierung nur auf einige 100’000 Jahre genau ist, heisst dies nicht, dass sie überhaupt nichts taugt. Sie kann sogar hervorragend genau sein, nämlich dann, wenn die geschätzte Zeit einige Milliarden Jahre beträgt. Wenn ein Pferdehändler das Alter seines Pferdes um 10’000 Jahre daneben schätzt, dann taugt seine Schätzung nichts. Wenn aber ein Paläontologe das Alter eines homo erectus Knochens auf 10’000 Jahre genau bestimmt, ist dies eine gute Schätzung.

Entscheidend ist nicht der absolute Fehler, also die 10’000 Jahre. Entscheidend ist vielmehr der relative Fehler, nämlich das Verhältnis der Unsicherheit zum geschätzten Alter. Das Pferd ist vielleicht 20 Jahre alt. Der relative Fehler des Pferdeverkäufers ist also etwa 10’000/20=500. Der homo erectus Knochen ist dagegen vielleicht 500’000 Jahre alt. Der Paläontologe macht also einen relativen Fehler von etwa 10’000/500’000=0,02.

Ob ein Knochen 500’000 Jahre alt ist oder 510’000 Jahre, ändert in der Aussage praktisch nichts. Der relative Fehler ist nur 2% und das ist wenig. Immer wieder liest man von Kreationisten, weil die Schätzung eine Unsicherheit von 10’000 Jahren habe, tauge sie nichts, der Knochen könne gerade so gut auch nur 4000 Jahre alt sein. Das ist Unsinn. Denn wenn jemand ein Alter auf 500’000 statt auf 4’000 schätzt, hätte er einen relativen Fehler von 500’000/4’000=125 gemacht. Man kann nicht sagen: Wenn du dich um Faktor 0,02 irrst, kannst du dich ebenso gut um Faktor 125 irren. Das ist so absurd wie die Aussage: „Wenn du nicht sagen kannst, ob deine Grossmutter 88 oder 86 Jahre alt ist, dann könnte sie ebenso gut 2 oder 11’000 Jahre alt sein. Nein, meine Grossmutter ist sicher nicht 11’000 Jahre alt, auch wenn ich nur etwa auf zwei Jahre genau weiss, wie alt sie ist.

Diese zwei Überlegungen müssen wir immer im Hinterkopf haben, wenn wir die folgenden Datierungsmethoden anwenden. Ausserdem müssen wir unterscheiden zwischen relativen und absoluten Datierungsmethoden.

Eine relative Datierungsmethode sagt z. B.: Diese zwei Gegenstände liegen in der gleichen Erdschicht, sie sind also gleich alt.

Eine absolute Datierungsmethode sagt z. B.: Dieser Baum hat so viele Baumringe, also ist er so und so alt.

2. Datierungsmethoden auf der Erde

2.1. Radioaktiver Zerfall

Mit Methoden, die auf dem radioaktiven Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente beruhen, können wir heute Fossilien und Gesteine mit einem Alter von wenigen hundert bis zu mehreren Milliarden Jahren datieren. Radioaktive Elemente zerfallen mit einer bestimmten Halbwertszeit. Z. B. radioaktiver Kohlenstoff 14C (oft C14 geschrieben) zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren. Das heisst: Wenn ich im Jahr 0 eine bestimmte Menge 14C Atome habe, dann sind es im Jahr 5730 nur die Hälfte davon. Nach weiteren 5730 Jahren sind aber nicht alle radioaktiven Atome zerfallen, sondern wieder nur die Hälfte der Hälfte der ursprünglichen Menge, es bleibt also ein Viertel u. s. w. (Abbildung 1)

Abbildung 1
Gesetz des radioaktiven Zerfalls. Eine radioaktive Substanz, z. B. 14C, verschwindet nie vollständig, sondern sie zerfällt mit einer bestimmten Halbwertszeit. In diesem Beispiel ist die Halbwertszeit 5730 Jahre. Nach 22’920 Jahren wäre noch 1/16 so viel 14C vorhanden wie im Jahr 0.Radioaktiver Zerfall

Mit dem Zerfallsgesetz kann ich umgekehrt auch berechnen, wie alt eine Probe ist. Wenn ich weiss, wie viel 14C zu Beginn in der Probe war, und wie viel heute noch in der Probe drin ist, kann ich zurückrechnen, wie lange die Probe schon dem Zerfall ausgesetzt ist. Wenn ich also z. B. sehe, dass ein Knochen nur noch 1/16 des ursprünglichen Anteils 14C enthält, weiss ich, dass dieser Knochen etwa 22’920 Jahre alt ist.

Wie schnell ein radioaktives Teilchen zerfällt, ist völlig unabhängig von äusseren Umständen wie Druck, Temperatur, chemischem Umfeld u. s. w. Deshalb eignen sich radioaktive Substanzen zur Altersbestimmung. Im Folgenden stelle ich die wichtigsten Zerfallsreihen vor.

2.1.1. 14C-Methode (Radiokarbon Datierung)

Bei der 14C-Methode benützen die Anthropologen die natürliche Radioaktivität der Luft. Durch kosmische Strahlung wird in der Erdatmosphäre aus dem Stickstoff der Luft (14N) radioaktiver Kohlenstoff (14C) gebildet. Solange ein Lebewesen lebt, isst und atmet, gelangt dieser 14C in unschädlichen Mengen in den Körper, wo er in die Knochen und ins Gewebe eingelagert wird. Mit dem Tod endet dieser Einbau. Von diesem Moment an nimmt der Anteil des radioaktiven 14C nur noch ab, weil es unter Aussendung von b-Strahlen wieder in 14N zerfällt.

Mit der Radiokarbon Datierung lassen sich das Alter von Knochen und Holzstücken aus den vergangenen 50’000 Jahren mit einiger Sicherheit bestimmen. Heute wird das Verhältnis von 14C zu 12C mit Massenspektroskopie bestimmt. Das heisst etwa, man schwingt die Teilchen so, dass die schwereren 14C aussen wegfliegen, wo sie aufgesammelt und gezählt werden. Mit dieser Methode kann in Zukunft wohl das Alter bis rund 100’000 Jahre bestimmt werden. Für Fossilien, die einige Millionen Jahre alt sind, ist diese Methode aber sicher unbrauchbar, weil der Anteil an 14C zu gering ist.

Korrekturen der 14C Methode

Die 14C Methode stützt sich wesentlich auf die Annahme, das Verhältnis von 14C/12C in der Atmosphäre sei mehr oder weniger konstant. In Wirklichkeit ist diese Bedingung nicht exakt erfüllt. Z. B. die folgenden Effekte führen zu Schwankungen:

  • Die kosmische Strahlung ist nicht konstant. Schwankungen ferner Sterne heben sich gegenseitig auf. Aber die Fluktuationen in der Sonnenstrahlung kann das Verhältnis 14C/12C verändern. Im Vergleich mit anderen Methoden kann diese Schwankung abgeschätzt werden.
  • Wenn sich das Erdmagnetfeld ändert, kann sich die Produktionsrate von 14C ändern. Wie stark und wie schnell sich das Erdmagnetfeld geändert hat, kann an vulkanischem Gestein nachvollzogen werden.
  • Wenn sich der irdische Kohlenstoffkreislauf ändert, hat dies Auswirkungen auf den 14C Gehalt der Atmosphäre. Dies geschieht z. B. bei grösseren Vulkanausbrüchen, bei Meteoriteneinschlägen oder bei Veränderungen der Flora und Fauna.
  • Seit der Industrialisierung verbrennt die Menschheit grosse Mengen fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdgas und Öl). Diese sind aus Kohlenstoff aufgebaut, der schon seit langem zerfallen ist. Es wird also CO2 in die Atmosphäre geschickt, das unnatürlich wenig 14C enthält. Da wir aus dieser Zeit genaue Schriftzeugnisse als Eichung besitzen, kann dieser Effekt in der Rechnung berücksichtigt werden.
  • Beim Test von Kernwaffen wird der 14C Gehalt der Atmosphäre lokal stark erhöht. Auch dieser Effekt kann durch Referenzproben genau vermessen werden. Dank diesem Effekt wissen wir auch, dass das 14C tatsächlich sehr rasch über die ganze Atmosphäre verbreitet, was eine wichtige Voraussetzung für die 14C Methode ist.
  • Durch Verschmutzung mit Kohlenstoff aus anderen Quellen kann das Verhältnis verändert werden. Ein Anthropologe muss sich also genau überlegen, welche Arten von Verschmutzung bei der gegebenen Lagerung eines Fundes möglich wären.

Bemerkenswert ist, dass diese Einflüsse nicht gleichzeitig auch in gleicher Weise die Skala anderer radioaktiver Zerfälle beeinflusst. So kann beispielsweise mit der Kalium-Argon Messung die 14C Methode geeicht werden. Es kann sein, dass die Altersschätzung wegen eines der obigen Fehler mit der 14C Methode zu hoch ausfällt. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass genau im gleichen Zeitraum auch die Kalium-Argon Datierung versagt, und dazu noch genau in der gleichen Grösse und in der gleichen Richtung. Eine ausgezeichnete Methode zur Korrektur der oben genannten Fehler bietet für jüngere Funde die Dendrochronologie.

2.1.2. Kalium-Argon Messung

Die Kalium-Argon Messung eignet sich zur Datierung von Gesteinsproben mit einem Alter von 300’000 bis mehreren Milliarden Jahren. Wie die Radiokarbon Methode beruht sie auf radioaktivem Zerfall. Kalium kommt in verschiedenen Böden und Mineralien vor. Das Kalium-Isotop 40K zerfällt mit einer Halbwertszeit von 1.25 * 109 Jahren in Calcium (89%) undin das gasförmige Argon 40Ar (11%), das im vulkanischen Gestein eingeschlossen bleibt. Zur Altersbestimmung wird das Verhältnis 40K/40Ar bestimmt. Da das Argon als Edelgas beim Ausbruch des Vulkans, bzw. beim flüssigen Gestein leicht entweicht, weiss man, dass alles Argon im Gestein nach der Verfestigung entstanden ist. Bestimmt wird also die Zeit seit der Verfestigung des Gesteins.

Mit der Kalium-Argon Messung kann auch das Alter von Mondgestein oder Meteoriten bestimmt werden. So wurde auch –in Übereinstimmung mit anderen Methoden- das Alter unseres Sonnensystems auf rund 4,6 Milliarden Jahre gemessen.

Zwar wird Kalium-Argon Messung nur das Alter des Gesteins bestimmt. Aber indirekt dient sie auch zur Datierung von Fossilien. Es wird nicht das Alter des gefundenen Fossils bestimmt, sondern das Alter der Schicht, in der das Fossil gefunden wurde. Sehr präzise kann bestimmt werden, wann ein bestimmter Vulkanausbruch stattfand oder ein Ascheregen niederging. Die Datierung von Fossilien hängt allerdings empfindlich davon ab, ob das Fossil auch tatsächlich der richtigen Schicht zugeordnet wird. Obwohl die Kalium-Argon Messung des Gesteins sehr präzise ist, kann es deshalb vorkommen, dass das Alter eines Fundes um einen Faktor 2 korrigiert werden muss, so dass ein Fund z. B. plötzlich auf 1,8 Millionen, statt auf 900’000 Jahre geschätzt wird.

Solche Korrekturen werden von Kreationisten als Beweis angeführt, dass die Methode nichts tauge. Auch hier gilt aber die Feststellung: Faktor 2 daneben ist nicht Faktor 125 daneben. Ausserdem war die Datierung des Bodens durch die Kalium-Argon Methode durchaus korrekt. Falsch war nur die Übertragung auf das Fossil. Wenn der Boden 900’000 Jahre alt ist, dann ist er sicher nicht erst 4004 v. Chr. während der Schöpfung entstanden.

2.1.3. Uran-Blei Datierung

Uran 238U zerfällt mit einer Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren nach verschiedenen Zwischenschritten in Blei 206Pb und Uran 235U zerfällt mit einer Halbwertszeit von 704 Millionen Jahren in Blei 207Pb. Beide Uranisotope entstehen im Inneren von Sternen, und zwar im Verhältnis 1:1. Weil sie unterschiedlich schnell zerfallen, kann man aus dem aktuellen Verhältnis herausfinden, wie viel Zeit seit der Entstehung vergangen ist. Wegen den hohen Halbwertszeiten eignet sich der Uranzerfall für die Altersbestimmung von sehr altem Gestein. So wurde mit der Uran-Blei Methode das Alter der Erde auf 4,55 Milliarden Jahre datiert, in Übereinstimmung mit der Kalium-Argon Datierung.

Weil hier zwei Zerfallsreihen parallel zueinander ablaufen und weil die zwei Uran-Isotope 238U und 235U immer gemischt vorkommen, können Verunreinigungen einer Probe nachgewiesen werden. Man kann z. B. entweder das Verhältnis der Uran-Isotope 238U/235U messen oder das Verhältnis der Blei-Isotope 207Pb/206Pb oder die Verhältnisse 206Pb/238U und 207Pb/235U. Durch Vergleich sieht man, ob eine Probe verunreinigt wurde und in welcher Weise. Noch besser abgesichert ist die Methode, wenn man auch die Isotopenverhältnisse in den Zwischenschritten des Zerfalls berücksichtigt.

2.1.4.Thermolumineszenz und Elektronenspinresonanz

Durch die natürliche Radioaktivität im Boden werden Fossilien ständig bestrahlt. Dabei werden Elektronen je länger je mehr in einen angeregten Zustand gehoben. Indem man misst, wie viele Elektronen sich in einem angeregten Zustand befinden, kann man herausfinden, wie lange ein Fossil bestrahlt wurde. Bei der Thermolumineszenz wird das Fossil erhitzt, so dass die Elektronen wieder in ihren Grundzustand zurückfallen, wobei sie einen Lichtblitz aussenden (siehe Bohrsches Atom). Diese Lichtblitze kann man zählen und so das Alter des Fossils bestimmen. Mit Elektronenspinresonanz geschieht dasselbe, indem das Atom in einem Magnetfeld durchgeschüttelt wird.

Diese Methode eignet sich z. B. bei Tonscherben. Da Ton gebrannt wird, sind die Elektronen bei der Entstehung eines Topfes im Grundzustand. Sie werden nur durch die Radioaktivität der Erde in den angeregten Zustand gehoben. Auch das Alter verschiedener Mineralien wie Feuersteinen, Quarz oder Zahnschmelz kann auf diese Weise bestimmt werden. Durch Thermolumineszenz und Elektronenspinresonanz lassen sich Fossilien mit einem Alter von wenigen hundert bis zu mehreren Milliarden Jahren datieren.

2.2. Jahrringe (Dendrochronologie)

Dass man bei einem frisch gefällten Baum das Alter bestimmen kann, indem man seine Jahrringe zählt, ist allgemein bekannt. Etwas weniger bekannt ist, dass Fachleute dem Muster der Jahrringe auch bei längst gefällten Bäumen ansehen, wann die Bäume gelebt haben. In guten Jahren setzen die Bäume mehr Masse an und die Jahrringe werden breiter. In schlechten wachsen sie dagegen langsamer. Bäume der gleichen Art, die zur gleichen Zeit in der gleichen Region lebten, haben dasselbe Muster in den Jahrringen. Diese Muster von Bäumen aus verschiedenen Epochen überlagern sich und können zu einer Chronologie zusammengesetzt werden.

In Deutschland wurde z. B. durch Vergleich von tausenden von Eichen und Kiefern ein über mehrere Jahrtausende ein Kalender aufgebaut werden, mit dem weitere Fundstücke datiert werden können. In Mooren werden umgestürzte Baumstämme oft völlig luftdicht eingeschlossen, so dass sie nicht vermodern und auch nach über 14’000 Jahren noch gut vergleichbare Jahrringe zeigen. In alten Häusern findet man Balken, von denen man ziemlich genau weiss, wann sie gefällt wurden. Mit diesem Kalender können die klimatischen Bedingungen der letzten 14’000 Jahre in manchen Regionen auf das Jahr genau bestimmt werden.

Damit ist es auch möglich, andere Datierungsmethoden zu eichen. Z. B. sind mit der so geeichten 14C Methode für die letzten 12’000 Jahre Altersbestimmungen möglich, die auf wenige Jahrzehnte genau mit der Dendrochronologie übereinstimmen. Deshalb kennen wir die unter 2.1.1. erwähnten Störungen genau und können sie auch in den Funden korrigieren, die keine Jahrringe haben.

Abbildung 2. Aufbau eines Jahrringkalenders
(Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Fritz Schweingruber, Eidg. Forschungsanstalt WSL. Siehe dazu auch die schöne Homepage des Labors für Dendrochronologie Zürich)
Ausgangspunkt des Kalenders ist ein Baum, von dem man das Fällungsdatum kennt. Der Kalender wird durch Bäume aus früherer Zeit ergänzt, die mit dem ersten eine Zeit lang gleichzeitig gewachsen sind.

Dendrochronologie

2.3. Mitochondrien DNA

Mitochondrien sind die Energiekraftwerke der Körperzellen. Sie existieren zu Tausenden in jeder Zelle und sie haben bemerkenswerterweise eine völlig eigene DNA, also Erbinformation. Man nimmt an, dass sie in früher Zeit von Einzellern verschluckt, aber nicht verdaut wurden, sondern sozusagen als ‚Sklaven’ dienten.

Die Mitochondrien DNA eignet sich hervorragend, wie in einem Vaterschaftstest den Grad der Verwandtschaft zwischen zwei Lebewesen zu untersuchen. Das Praktische dabei ist, dass Mitochondrien DNA nur über die Mutter weiter vererbt wird. Zwar gelangen auch über das Spermium einige Mitochondrien in die Eizelle, aber diese werden sehr effizient vernichtet. Das heisst, die Mitochondrien DNA von Mutter und Kindern ist praktisch gleich, anders als bei den normalen Chromosomen, die zur Hälfte vom Vater stammen und deshalb sehr rasch vermischt werden. Beim Vergleich von Mitochondrien DNA handelt es sich also um einen ‚Mutterschaftstest’.

Allerdings ist die Mitochondrien DNA von Mutter und Kind nicht genau gleich. Mit einer bestimmten, konstanten Wahrscheinlichkeit passieren Fehler beim Kopieren und diese Fehler häufen sich von Generation zu Generation an. Es ist heute sehr gut möglich, Mitochondrien DNA zu vergleichen und so die Anzahl der Fehler zu zählen. Zwei Lebewesen mit sehr ähnlicher Mitochondrien DNA hatten vor wenigen Generationen eine gemeinsame Mutter. Zwei Lebewesen mit sehr verschiedener DNA leben sein vielen Generationen in getrennten Gruppen oder sie gehören sogar zu verschiedenen Arten.

Damit können zwei Dinge untersucht werden:

  1. Der Verwandtschaftsgrad zweier Lebewesen oder Arten, die heute gleichzeitig leben.
  2. Der Verwandtschaftsgrad zweier Lebewesen oder Arten, von denen zumindest schon das bzw. die eine ausgestorben ist. Selbstverständlich funktioniert der Vergleich nur, wenn mir von beiden Arten DNA zur Verfügung steht. Ich muss also z. B. einen Knochen oder Gewebeproben von einem Lebewesen finden.

2.4. Erosion, Verwitterung

Lange Zeit glaubte man, die Erde sehe mehr oder weniger starr so aus, wie sie schon immer ausgesehen habe. Heute ist aber jedem klar, dass dies keineswegs so ist. Flüsse und Bäche schneiden ihr Bachbett tief in den Felsen ein, Wind und Sandstürme tragen ganze Felsen ab. Säuren laugen die Böden aus und lassen sie bröckelig werden. Hitze und Kälte zermürben und zersplittern die Steine, dass ganze Steinlawinen die Berghänge hinunterdonnern. In der Eiszeit schoben die Gletscher gewaltige Geröllmengen durch die Landschaft und türmten ganze Hügel auf. Wer mit offenen Augen durch die Natur wandert, findet überall beliebig viele solche Beispiele.

All diese Veränderungen geschahen nicht in einem Moment, sie brauchten Zeit. Auch diese Entwicklungen können wir zur Datierung verwenden. Ein Bach, der heute 1 mm Felsen pro Jahr herausschneidet und bereits ein 20 m tiefes Loch herausgesägt hat, wird wohl nicht erst seit 100 Jahren durch dieses Bachbett fliessen. Natürlich darf ich nicht glauben, der Bach habe von Beginn weg immer genau 1 mm Felsen abgetragen. Die Methode ist längst nicht so genau. Mark Twain hat mit einem humorvollen Beispiel auf mögliche Gefahren in dieser Überlegung hingewiesen:

“Binnen 170 Jahren hat sich der Untere Mississippi um 240 Meilen verkürzt. Das macht im Durchschnitt 1 1/3 Meile pro Jahr. Daher sieht jeder Mensch, es sei denn, er ist blind oder ein Idiot, dass vor einer Million Jahren der Untere Mississippi mehr als eine Million Dreihunderttausend Meilen lang gewesen ist, und in den Golf von Mexiko hinausragte wie ein Angelstock. Genauso sieht man sofort, dass heute in 742 Jahren der Untere Mississippi nur noch eine Meile und dreiviertel messen wird. … Das ist das Faszinierende an der Wissenschaft: man erhält die tollsten Ergebnisse aus so gut wie nichts.”(Krä 2)

Wir müssen also vorsichtig sein mit Schlussfolgerungen. Aber Erosion, Verwitterung und andere Landschaftsentwicklungen sind Indizien, die in ein Gesamtbild eingefügt werden müssen und sicher eine gewisse Aussagekraft haben. Beim Datieren geht es immer darum, sich ein plausibles Gesamtbild zu machen. Datierungsmethoden dürfen nie isoliert voneinander betrachtet werden.

2.5. Verschiebung der Kontinente

Dass Südamerika und Afrika wie zwei Puzzleteilchen zusammenpassen, fällt beim Betrachten einer Erdkarte sogleich auf. Der Deutsche Geologe Alfred Wegener fragte sich deshalb (erst im Jahr 1912!), ob die zwei Kontinente nicht ursprünglich zusammen gewesen sein könnten. Er sah seine Vermutung durch die folgenden Beobachtungen bestätigt:

  • Die Manatis, eine Seekuh-Art, die in den warmen Küstengewässern Südamerikas lebt, haben enge Verwandte an den Küsten Afrikas, sonst kommen sie aber nirgends auf der Erde vor. Aufgrund der Lebensweise der Tiere schloss Wegener, dass sie niemals über den Atlantik geschwommen sein können.
  • Die europäischen und amerikanischen Aale laichen gemeinsam in der Sargasso-See, einem Teil des Nordatlantiks, 2000 km vor der Küste von Florida.
  • In Westeuropa gibt es eine Schneckenart, die auch im östlichen Nordamerika vorkommt, aber sonst nirgends in Europa oder Amerika.
  • Auf der Halbinsel Labrador findet sich das gleiche Gestein wie in Schottland.
  • Manche Tierarten Australiens und Südamerikas sind auffallend verwandt. Sie müssen gemeinsame Vorfahren haben, die vor erdgeschichtlich nicht zu langer Zeit beisammen gelebt haben. Über den Pazifischen Ozean aber können die Tiere nicht gekommen sein.

Im Jahr 1912 war Wegeners These revolutionär, denn die Erde wurde für absolut starr gehalten. Heute ist die Theorie aber allgemein anerkannt und es gibt viele weitere Belege, dass sie stimmt. Insbesondere kann man heute messen, dass die südamerikanische und die afrikanische Platte rund 3 cm pro Jahr auseinander driften. Die Platten liegen heute rund 5000 km auseinander. Wenn wir annehmen, dass sie immer etwa mit der heutigen Geschwindigkeit auseinandergetrieben sind, so hat die ‚Reise’ rund 170 Millionen Jahre gedauert. Diese Schätzung könnte z. B. durch einen Genvergleich der verwandten Arten in Afrika und Südamerika gestützt oder widerlegt werden. Ich weiss nicht, ob dies schon überprüft worden ist.

Weiter stellen wir fest, dass überall, wo zwei Platten gegeneinander stossen, Gebirge entstehen, z. B. der Himalaya. Nach der Theorie begann das Wachstum des Himalayas bereits vor ca. 65 Mio. Jahren. Damals prallten die Indo-Australische und die Eurasische Kontinentalplatte mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 cm pro Jahr zusammen. Durch den Zusammenprall türmte sich das Himalaya-Gebirge auf. Heute messen wir, wie sich die Erdplatten ca. 2 cm im Jahr ineinander schieben und der Himalaya wächst weiter einige Millimeter pro Jahr.

Umgekehrt finden wir in Gebieten, in denen sich Platten voneinander entfernen, Risse, aus denen sich Vulkane bilden. Z. B. liegt zwischen Afrika und Amerika der Mittelatlantische Rücken, eine Kette von Vulkanen unter dem Meer.

Alle diese Bewegungen können nicht sehr präzise vermessen werden und ermöglichen nur eine sehr ungenaue Datierung. Dennoch müssen sie im Gesamtbild berücksichtigt werden. Auch sie zeigen, dass Kontinentalverschiebungen im Zeitrahmen von einigen Dutzend bis einigen Hundert Millionen Jahren ablief und sicher nicht in wenigen Tausend Jahren.

2.6. Schriftliche Zeugnisse

Dass manche Schriften als absolute Datierungsmethoden verwendet werden können, scheint klar. Wenn ein Datum auf einem Brief steht, kann ich in vielen Fällen davon ausgehen, dass der Brief auch an diesem Datum geschrieben wurde. Ein anderes Beispiel für eine absolute Datierung sind Beschreibungen von Sonnenfinsternissen, wie wir sie z. B. in alten chinesischen und babylonischen Schriften finden.

Weil wir heute die Sonnenfinsternisse der letzten 10’000 Jahre berechnen können, können wir die Beschreibungen sehr oft den berechneten Daten zuordnen. Als älteste sicher datierte Beschreibung einer Sonnenfinsternis wird in verschiedenen Quellen die Finsternis vom 15. Juni 763 v. Chr. in Babylonien erwähnt. Andere Quellen zitieren eine Sonnenfinsternis vom 22. Oktober 2137 v. Chr. in China. Dank solchen sehr alten schriftlichen Zeugnissen können wir den damals verwendeten Kalender auf den Tag genau in unseren umrechnen, was natürlich die Datierung vieler anderer Schriften stark verbessert.

Gerade ältere Schriften sind aber oft nur als relative Datierungsmethoden geeignet. Dazu ein Beispiel, bei dem es sich zwar nicht um eine Schrift, sondern um eine Zeichnung handelt.

Vor einigen Jahren, bevor ich mich mit Datierungsmethoden auseinandergesetzt hatte, besuchte ich die Höhlen mit den berühmten Malereien in Frankreich: Lasceaux, Rouffignac, Cougnac, Azé, Pech-Merle und einige andere. Von Lasceaux war ich enorm beeindruckt, aber in Rouffignac überfielen mich Zweifel. Die Bilder in Rouffignac sind in Sandstein eingekratzt oder mit Braunstein (Manganoxid) gezeichnet, so dass eine Datierung durch 14C unmöglich ist. Über den Zeichnungen gab es verschiedenes Graffiti aus jüngster Zeit, wie man sie etwa in Bahnhöfen oder auf Betonmauern sieht. Seit mehreren Jahrhunderten ist die Höhle von Touristen besucht worden und viele dieser Touristen haben ihre Anwesenheit mit einer Unterschrift oder einer Zeichnung verewigt.

Ich dachte mir: „Es ist so einfach, da ein paar Bilder zu machen. Woher wissen wir, dass dies kein Betrug ist? Woher wissen wir, dass diese Bilder 13’000 Jahre alt sind?

Die Antwort ist überraschend: Die Zeichnungen in Rouffignac zeigen Mammuts. Und eine dieser Zeichnungen ist so präzise, dass klar ist: Der Künstler hat selber ein Mammut gesehen. Mammuts hatten nämlich zum Schutz gegen die Kälte einen Afterdeckel, ein Detail, das vor der Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie über die „eingefrorenen“ Mammuts aus Sibirien nur Prähistorikern bekannt sein konnte. Der Künstler war also nicht nur irgendein Spassvogel, der ein elefantenähnliches Ding in den Sandstein kratzte, sondern er hat tatsächlich Mammuts gesehen.

Abbildung 3. Das Mammut mit dem “operculum ani” in Rouffignac. Länge des Originals: 0,75mMammut mit operculum ani

Die Zeichnung mit dem Mammut kann also als relative Datierungsmethode angesehen werden: Das Bild entstand in einer Zeit, in der noch Mammuts lebten. Ähnliche Beispiele sind Höhlenmalereien von Krokodilen mitten in der heutigen Sahara. Vermutlich stammen sie aus einer Zeit, in der die Sahara noch keine Wüste war, sondern noch von Krokodilen bevölkert war. (Wir wissen, dass die Sahara tatsächlich einst ein sehr grünes Land war, in der auch Krokodile lebten. Wüssten wir dies nicht, würden wir vielleicht nach einer anderen Erklärung für die Bilder suchen.)

Auch bei neueren Schriften ist keineswegs immer klar, wann sie geschrieben wurden, weil nicht auf jeder Schrift ein Datum steht. Dennoch sind oft relative Altersbestimmungen möglich, wenn ein Autor beispielsweise ein grosses Unglück erwähnt, dessen Datum wir kennen, wie etwa einen Vulkanausbruch, einen Brand oder einen Kriegszug. Auch wenn von bekannten Personen erzählt wird, deren Lebzeit wir kennen, ist eine relative Datierung möglich.

Wieder muss betont werden, dass die sehr präzisen Datierungen der Schriften, die ein Datum enthalten, die ungenaueren eichen. So können wir z. B. Pergamentstruktur, Tinte, Schrift und Sprache von genau datierten Schriften mit weniger genau datierten vergleichen und so weitere Fundstücke datieren. Oft finden wir auf einer präzise bestimmten Pergamentrolle Blütenpollen, so dass wir sehr viel über das Klima der betreffenden Zeit aussagen können, was uns wiederum erlaubt, andere Funde dieser Zeit zuzuordnen. Auch die 14C Methode wird natürlich an präzise datierten Schriftrollen geeicht.

2.7. verschiedene Erdschichten

Abbildung 4 Ältere Erdschichten liegen im Allgemeinen weiter unten. Bild von Dieter Schmudlach, der auf seiner Seite eine Reihe von Datierungsmethoden der Archäologie vorstellt.Erdschichten

Es ist allgemein bekannt, dass ältere Schichten oft weiter unten liegen als jüngere. Aber weshalb ist dies so? Man könnte denken, schwerere Dinge sinken tendenziell nach unten. Das ist aber nicht der Grund für die Erdschichten. Denn erstens ist die Erde ziemlich fest und zweitens müssten nach dieser Theorie die schwereren Dinge die leichteren beim Heruntersinken überholen, was nicht beobachtet wird. Es gibt verschiedene Arten, wie sich Erdschichten bilden können.

2.7.1. Erdschichten durch Pflanzenzerfall

Lebewesen, insbesondere Pflanzen, bilden Erdschichten. Woher nimmt eine Pflanze ihren Baustoff, wenn sie wächst? –Instinktiv würden wir sagen, die Pflanze saugt ihre Nährstoffe durch die Wurzeln, durch Stiel oder Stamm in ihre Blätter. Das stimmt aber nicht. Nur ein kleiner, wenn auch wichtiger Teil der Nährstoffe stammt aus der Erde. Den Hauptteil ihrer Nahrung bezieht die Pflanze aus der Luft.

Eine Pflanze besteht zum Hauptteil aus Kohlenstoff. Dieser Kohlenstoff stammt vom Kohlendioxid (CO2), das die Pflanze der Luft entnimmt und das sie für die Fotosynthese braucht. Bei der Fotosynthese wird bekanntlich CO2 zusammen mit Wasser (H2O) zu Zucker und Sauerstoff (O2) umgewandelt, wobei die Pflanze im Zucker (C6H12O6) die Sonnenenergie speichert. Die Formel ist:

6 CO2 + 6 H2O ==> C6H12O6 + 6 O2

Kohlendioxid + Wasser ==> Zucker + Sauerstoff

Der Kohlenstoff stammt also aus der Luft. Er wird in der Pflanze zum Baustoff für Zucker, Holz und vieles andere. Tiere fressen die Pflanzen und bauen wiederum ihren Körper zu einem grossen Teil aus diesem Kohlenstoff auf. Wenn Pflanzen oder Tiere sterben vermodern sie, es bleibt eine Schicht, die zu einem grossen Teil aus Kohlenstoff besteht.

2.7.2. Vulkanausbrüche

Bei Vulkanen ist es offensichtlich, dass sich verschiedene Schichten bilden. Wenn ich in der gleichen Schicht Fossilien verschiedener Lebewesen finde, weiss ich natürlich, dass diese Lebewesen gleichzeitig gelebt haben. Bemerkenswerterweise kann man aber auch die Schichten aus verschiedenen Vulkanen miteinander vergleichen. Das Erdmagnetfeld ändert sich nämlich im Laufe der Zeit und wenn sich die Lava verfestigt, wird auch die Richtung des Magnetfeldes darin eingefroren. Es gibt deshalb über die ganze Erde verteilt ein bestimmtes Muster in den Schichten von Vulkanen, einen bestimmten Wechsel in der Richtung des eingefrorenen Magnetfeldes. Wenn ich das Alter einer Schicht eines bestimmten Vulkanes kenne, kenne ich gleichzeitig das Alter in der entsprechenden Schicht vieler anderer Vulkane. Voraussetzung ist natürlich, dass die Vulkane fast durchwegs aktiv waren.

2.7.3. Sedimentation in Gewässern

Bäche und Flüsse tragen Sand und Kies von den Bergen ab und transportieren sie in die Seen oder ins Meer. Dort, wo das Wasser langsamer fliesst, sinkt der Sand ab und es bilden sich verschiedene Schichten. Je nachdem, welche Arten von Lebewesen in den verschiedenen Zeiten leben, kommen weitere Ablagerungen zum Sand und Kies hinzu.

Fossilien, die in der gleichen Sedimentationsschicht gefunden wurden, stammen aus derselben Zeitepoche. Weil die älteren Schichten weiter unten liegen und weil wir etwa abschätzen können, wie rasch sich die Schichten bilden, ist bis zu einem gewissen Grad sogar eine absolute Datierung möglich. Darüber hinaus finden wir in den Ablagerungen viele Hinweise auf das damals herrschende Klima, was wiederum zur relativen Datierung verwendet werden kann. Wie kniffelig hier die Überlegungen sind, zeigt das folgende Beispiel:

Ein Wassermolekül H2O besteht bekanntlich aus zwei Wasserstoffatomen H2 und einem Sauerstoffatom O2. Nun gibt es zwei verschiedene Sauerstoffisotope, nämlich 16O und 18O. Wassermoleküle, die den schweren Sauerstoff 18O enthalten, kondensieren ein bisschen schneller und regnen deshalb eher schon über dem Meer ab, aus dem sie verdunstet sind. Das Eis auf Gletschern oder an den Polen besteht deswegen leicht überwiegend aus 16O. In der Eiszeit war die Eisdecke dick und blockierte viele 16O-Atome. Deshalb war in der Eiszeit der 16O-Gehalt in allen Weltmeeren geringer. Gewisse Meerestiere bildeten deshalb ihre Kalkskelette vermehrt aus 18O-haltigem Kalk, und dies ist sichtbar in den Sedimenten (Spe 3).

2.7.4. Erosion

Nicht überall auf der Erde werden Erdschichten gebildet. An vielen Orten wird auch durch Wind und Wasser Erde oder Fels abgetragen. Dies nennt man Erosion. Natürlich verschwindet der durch Erosion abgetragene Boden nicht einfach aus der Welt. Er muss sich irgendwo ablagern und so werden auch Erdschichten gebildet. Z. B. haben sich in Deutschland im letzten Jahrhundert mehrere Zentimeter Sand aus der Sahara niedergesetzt.

2.7.5. Kalkablagerungen über Höhlenmalereien

Ein schönes Beispiel für eine Datierung durch eine Ablagerung habe ich in Gourdon-en-Quercy gefunden. Wie bereits in 2.6. erwähnt, war ich anfangs ziemlich kritisch eingestellt gegenüber den Datierungen. Können wir einem Bild ansehen, wie alt es ist?

In Gourdon-en-Quercy besichtigte ich eine Grotte mit verschiedenen Kalksteinformationen. Und hier gibt es ein Bild, das unter einer dicken Kalkschicht liegt und durchschimmert. Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand sich einige Tricks einfallen lässt, um einen Betrug echt aussehen zu lassen. Aber in einer Grotte ein Bild unter eine Kalkschicht zu zeichnen, die mehrere Tausend Jahre gebraucht hat, um zu entstehen, das ist nicht möglich. Hier handelt es sich sicher nicht um einen Trick eines Touristen, der uns verulken will. Wir können messen und abschätzen, wie lange es dauerte, bis sich die Schicht gebildet hatte. Insofern ermöglicht diese Schicht sogar eine absolute Datierung.

Abbildung 4. Menschengruppe und ein Wolf (?), eine Höhlenmalerei unter einer Kalkschicht. Prähistorische Grotte in Gourdon-en-QuercyKalkschicht über Höhlenmalerei

 

2.7.6. CO2 und O2Einschluss im Eis

Schnee kommt im Allgemeinen von oben und bildet deshalb Schichten, wobei die älteren unten liegen. Wenn man abschätzen kann, wie viel Schnee etwa pro Jahr fällt und wie viel schmilzt, kann man bereits damit gewisse Aussagen über das Alter einer Schicht machen. Darüber hinaus kann man aber den CO2 und O2Einschluss im Eis messen und daraus auf das damals herrschende Klima zurückschliessen. Wenn man auch die Isotopen berücksichtigt, wird diese Aussage noch präziser, wie in 2.7.3. gezeigt. Forscher schneiden also aus dem Eis Stangen heraus, sogenannte Eisbohrkerne. Diese Eisbohrkerne enthalten Spuren der ganzen Klimageschichte ihrer Region. Damit kann jede Schicht als relative Datierungsmethode verwendet und mit anderen Funden verglichen werden, die ebenfalls in die Klimageschichte eingeordnet werden können, z. B. mit Blütenpollen oder Sedimenten im Meer.

2.7.7. Jahrringe im Eis

Da Eis im Sommer dichter ist als im Winter, bilden sich in Gletschern und im Packeis Jahrringe. An diesen kann man nicht nur das Alter einer Eisschicht, sondern auch die klimatischen Bedingungen sehr genau bis zu etwa 900’000 Jahre alten Schichten bestimmen.

2.8. Vergleich der Flora und Fauna

Pflanzen und Tierwelt sind oft charakteristisch für ein bestimmtes Klima. Wenn wir Fossilien von Pflanzen und Tieren finden, können wir daraus oft auf das damals herrschende Klima schliessen. Aus vielen Funden können wir einen Klimakalender aufstellen und mit diesem Klimakalender wieder neue Funde datieren.

Was ist ein guter Fund? Als Laie denkt man sich vielleicht, am meisten freuen sich die Anthropologen, wenn sie ein Menschenskelett finden. Dies muss aber überhaupt nicht so sein. Menschenskelette sind extrem schlechte Funde, wenn es darum geht, eine Datierung vorzunehmen. Menschen hat es in den letzten 200’000 Jahren immer und überall gegeben. Menschen leben in Wüsten und in Regenwäldern, im Eismeer und auf Gebirgen, ja sogar auf dem Wasser. Wenn ich einen Menschenknochen finde, habe ich noch nicht die geringste Ahnung, wie die Welt zu dieser Zeit aussah.

Wenn ich aber irgendeine Pflanze finde, die z. B. jeden Tag Wasser braucht und keine Kälte erträgt, dann weiss ich, dass die Pflanze aus einer Zeit stammt, in der es täglich regnete. Dieses Wissen ist oft viel wertvoller, als irgendein Menschenknochen, nämlich wenn es darum geht, eine Datierung vorzunehmen.

Selbstverständlich muss ich nicht eine ganze Pflanze finden. Viel öfter findet man Blütenpollen, die heute ausreichen, um die Pflanzenart und damit vielleicht auch das Klima zu bestimmen.

2.9. Vergleich von Werkzeugkulturen

Zur relativen Datierung taugt auch der Vergleich von Werkzeugkulturen. Zumindest wird man misstrauisch, wenn man plötzlich eine Schreibmaschine zwischen Steinwerkzeugen findet.

Dieser Vergleich ist auch in der neueren Geschichtsforschung bedeutend, z. B. wenn es darum geht, die Authentizität eines Schriftstücks oder eines Kunstwerkes abzuklären. Oft lohnt es sich, mal zu untersuchen, ob es zu jener Zeit an jenem Ort überhaupt so ein Papier, so eine Tinte oder so eine Farbe gab.

3. Altersbestimmung in der Kosmologie

In der Kosmologie werden vor allem vier Effekte zur Altersbestimmung benützt, die sich wieder gegenseitig ergänzen und stützen.

3.1. Datierung als Distanzmessung

Wenn wir die Sterne anschauen, schauen wir in die Vergangenheit. Licht breitet sich mit einer Geschwindigkeit von 300’000 km/s aus. Das Licht der Sonne braucht 8 Minuten, um zu uns zu kommen. Wenn wir die Sonne anschauen, sehen wir sie nicht so, wie sie jetzt ist, sondern so, wie sie vor 8 Minuten war. Die nächsten Sterne sind etwa 4,5 Lichtjahre entfernt. Wir blicken also 4,5 Jahre in die Vergangenheit, wenn wir sie ansehen. Den Orionnebel sehen wir so, wie er beim Untergang des Römischen Reichs, und die Andromedagalaxie, wie sie zum Zeitpunkt des Auftretens der ersten Menschen vor 2 Millionen Jahren waren. Einige Quasare sind mehr als 12 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt (Ree 1).

Wir blicken in die Vergangenheit. Wir sehen heute noch, wie sich das Universum entwickelt hat. Und egal, in welche Richtung wir blicken, wir sehen überall denselben Ablauf. Deshalb können wir annehmen, dass auch die Geschichte unserer Galaxie ähnlich verlief. Vor uns liegt ein Kalender des Universums. Wir müssen nur die Distanzen zu den betrachteten Galaxien zu bestimmen, um zu wissen, wie alt das Universum damals war.

Zur Bestimmung der Distanzen im Universum verwendet man z. B. Sterne, von denen wir wissen, dass sie alle genau gleich hell leuchten, die so genannten Standardkerzen. Wenn eine Standardkerze weiter weg ist, scheint sie uns weniger hell. Da Sterne in Haufen vorkommen und kaum je völlig alleine, bestimmen wir mit der Distanz der Standardkerze auch gleichzeitig die Distanzen der anderen Sterne des Haufens.

Leider können wir alleine aus der Distanz eines Sternes und der Lichtgeschwindigkeit nicht ohne weiteres die Zeit berechnen, die das Licht brauchte, um die Distanz zurückzulegen. Denn die allgemeine Relativitätstheorie zeigt, dass das Universum expandiert und mit dem Universum dehnen sich alle Distanzen aus, z. B. auch die Wellenlänge des Lichtes. Diesen Effekt nennt man ‚kosmische Rotverschiebung’. Für kurze Distanzen spielt sie keine Rolle, aber je länger das Licht unterwegs ist, desto wichtiger wird die Rotverschiebung. Um auch das Alter der weit entfernten Lichtquellen richtig zu berechnen können, muss ich ein kosmologisches Modell in die Überlegung mit einbeziehen. Ich muss also wissen, wie schnell und mit welcher Beschleunigung sich das Universum ausdehnte.

3.2. Expansion des Universums

Aus der Gravitationstheorie folgt, dass das Universum nicht statisch sein kann. Massen ziehen sich über unendliche Distanzen an. Zwei Massen können nicht ruhen, ohne zu einander hingezogen zu werden. Dies ist in Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie nicht anders als bei Newton. 1929 bemerkte Edwin Hubble, dass sämtliche Galaxien abgesehen von einigen sehr nahen sich von uns entfernen. Die Geschwindigkeiten der Galaxien sind umso grösser, je weiter sie von uns entfernt sind. Dies bedeutet nicht, dass wir in der Mitte des Universums sind. Jede Galaxie entfernt sich von jeder anderen, wie in einem Rosinenkuchen jede Rosine sich von allen anderen entfernt, wenn der Kuchen im Ofen aufgeht.

Ganz grob kann man damit auf das Alter des Universums schliessen. Wenn wir nämlich die Geschwindigkeiten aller Galaxien umkehren und sozusagen in der Geschichte zurück denken, sehen wir, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt, vor etwa 13,5 Milliarden Jahren alle Galaxien an einem Punkt waren. Dies ist der so genannte Urknall, bzw. der Big Bang.

3.3. Die ältesten Steine

Dank dem radioaktiven Zerfall können wir das Alter von Steinen feststellen, wie unter 2.1. erklärt. Die ältesten Steine können natürlich nicht älter sein als das Universum und ihre Entstehung sollte plausibel in unsere Vorstellung von der Entwicklung des Universums passen. Die ältesten Steine, die wir bisher in unserem Sonnensystem gefunden haben, sind etwa 4 Milliarden Jahre alt.

Wir wissen, dass die Sonne ein Stern der zweiten oder dritten Generation ist, weil es in unserem Sonnensystem Stickstoff, Sauerstoff, Fluor, Chlor, Neon und Argon gibt, die in Sternen der ersten Generation erst gebildet werden. Die 4 Milliarden Jahre passen also recht gut zu den 13 Milliarden Jahren, dem geschätzten Alter des Universums.

3.4. Die ältesten Sterne

Sterne leuchten, weil sie Wasserstoffatome zu Heliumatomen verschmelzen, was -genau wie bei einer Wasserstoffbombe- Energie freisetzt. In einer späteren Phase wandeln sie Heliumatome in schwerere Atome um. Die massenreichsten Sterne leuchten am stärksten und verbrennen ihre atomaren Brennstoffvorräte schon in einigen Millionen Jahren. Ein Stern wie die Sonne strahlt etwa 10 Milliarden Jahre.

Wenn wir die Verhältnisse der Elemente vergleichen, können wir also auf das Alter eines Sternes schliessen. Und wenn wir das Alter einzelner Sterne bestimmen können, dann können wir auch über das Alter von Sternhaufen recht gute Aussagen machen. Denn das Alter eines Sternhaufens entspricht dem Alter der ältesten Sterne in diesem Haufen.

Wie finden wir aber das Verhältnis der Elemente auf einem Stern heraus, der mehrere Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist? -Jedes chemische Element sendet Licht bevorzugt in einigen wenigen ganz bestimmten Wellenlängen aus. Diese Wellenlängen sind wie ein Fingerabdruck charakteristisch für das Element. Wir sehen deshalb dem Licht an, welche Elemente auf dem Stern vorkommen und in welchen Häufigkeiten. Wir wissen daher auch, dass auf allen Sternen genau die gleichen Elemente vorkommen wie auf der Erde. Nur eine Ausnahme gab es: 1868 entdeckte der französische Astronomen Pierre Janssen bei Untersuchungen des Lichtspektrums der Sonne eine unbekannte gelbe Linie. Er schloss daraus, dass es auf der Sonne ein Element geben muss, das auf der Erde nicht existiert und taufte das Element Helium. Erst danach wurde das Helium auch auf der Erde entdeckt. Es ist also manchmal sogar leichter, ein Element auf einem fernen Stern zu entdecken als auf der Erde.

4. Weiterführende Artikel:

Darwins Evolutionstheorie
Urknalltheorie

Weiterführende Bücher:

Philip Wehrli, ‚Das Universum, das Ich und der liebe Gott‘, (2017), Nibe Verlag,

Das Universum, das Ich und der liebe Gott

In diesem Buch präsentiere ich einen Gesamtüberblick über mein Weltbild: Wie ist das Universum entstanden? Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? Was ist Bewusstsein und woher kommt es? Braucht es dazu einen Gott?
Viele Artikel dieses Blogs werden in diesem Buch in einen einheitlichen Rahmen gebracht, so dass sich ein (ziemlich) vollständiges Weltbild ergibt.

Leserunde bei Lovelybooks zum Buch ‚Das Universum, das Ich und der liebe Gott‘, von Philipp Wehrli (abgeschlossen)

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Nibe Verlag

 

Youtube Film:

Harald Lesch, `Wie alt ist die Erde?´

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