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Philipp Wehrli, 21. Februar 2009, ergänzt am 28. April 2013 um den Abschnitt ‘Aufmerksamkeit’
Die hier gesammelten Experimente und Fakten sollen meine Thesen im Artikel Wozu ist Bewusstsein gut? untermauern. Man kann die folgenden Beschreibungen aber auch ohne philosophische Hintergedanken als Gruselkabinett der menschlichen Seele lesen.
1. Die vier grossen Fragen zum Thema Bewusstsein
2. Input: Weshalb aber spüre ich Sinnesreize?
2.1. Ein fremdes Bein an meinem Körper
2.2. Die Frau, die ihren Körper verloren hat
2.3. Einen fremden Arm zu meinem eigenen machen
2.4. Mein Körper sagt mir, ich sei verliebt
2.5. Ich glaube, mein Körper sagt mir, ich sei verliebt
2.6. Die Gesichtsmuskulatur steuert meine Gefühle
2.7. Halluzinationen / Migräne / Albträume
2.8. Ausserkörperliche Wahrnehmung (Out of body Erfahrung)
2.9. Hemineglect – Die halbe Welt existiert nicht
2.10. Skotome: Löcher in meiner Welt
2.11. Weitere Störungen der Sehrinde
2.12. Sehen, ohne zu verstehen
2.13. Wo bin ich?
2.14. Ich bin zwei
2.15. Unbewusste Wahrnehmungen
2.16. Zusammenfassung
3. Verarbeitung: Muss Denken bewusst ablaufen?
3.1. Ein Paradoxon der künstlichen Intelligenz
3.2. Unbewusstes Forschen
3.3. Wie denken Schachspieler?
3.4. Falsche Erinnerungen
3.5. Automatisches Schreiben
3.6. Wenn das bewusste Denken stört
3.7. Zusammenfassung
4. Output: Wer steuert meinen Körper?
4.1. Das Autorschafts- und Kontroll-Ich
4.2. Die Experimente von Libet / Haggard und Eimer
4.3. Beobachtungen bei Split-Brain Patienten
4.4. Elektrisch induzierte Bewegungen
4.5. Posthypnotischer Auftrag
4.6. Als aufgezwungen empfundene Bewegungen
4.7. Zusammenfassung
5. Aufmerksamkeit: Wie ich frei werde
5.1. Die Welt im Fokus
5.2. Aufmerksamkeit verändert unser Leben
6. Weiterführende Literatur
6.1. Artikel auf dieser Homepage:
6.2. Weiterführende Bücher:
1. Die vier grossen Fragen zum Thema Bewusstsein
Interdisziplinäre Kongresse über das Bewusstsein werden oft mit der indischen Parabel von den vier Blinden verglichen, die einen Elefanten untersuchen. Der erste erwischt den Rüssel und sagt: „Ein Elefant ist wie ein dicker praller Feuerwehrschlauch.“ Der zweite umfasst ein Bein und sagt: „Ein Elefant ist wie ein starker Baumstamm.“ Der dritte betastet ein Ohr und meint: „Ein Elefant ist wie ein ledriger Putzlappen.“ Und der vierte untersucht den Schwanz und erkennt: „Alles falsch! Ein Elefant ist ein Seil.“
Wir nennen völlig verschiedene Dinge ‚Bewusstsein‘. Gerhard Roth unterscheidet z. B. zwischen (Rot 1):
- Innerem Körper-Ich,
- Verortungs-Ich,
- perspektivischem Ich,
- Ich als Erlebnis-Subjekt,
- Autorschafts- und Kontroll-Ich und
- autobiografischem Ich
- Das selbstreflexive Ich
- Das sprachliche Selbst
- Das Gewissen
Wenn nun Bewusstseinsforscher über diese verschiedenen Aspekte von Bewusstsein diskutieren, passiert es schnell, dass ein Tierverhaltensforscher sagt: „Es ist erwiesen, dass schon einfache Tiere ein Bewusstsein haben, denn sie weisen dieses und dieses Verhalten auf.“ Und ein Neurologe stimmt ihm sogar zu und erklärt: „Bei diesem Verhalten sind immer genau diese und diese Gehirnareale aktiv. Diese Areale beherbergen das Bewusstsein.“ Dagegen erklärt vielleicht ein Roboterkonstrukteur: „Wenn ich einen Staubsauger baue, der selbständig eine Stube reinigen und sich gleichzeitig die Geometrie der Stube einprägen soll, dann sind in diesem Roboter auch Module aktiv, die genau den beschriebenen Arealen entsprechen. Dieser Roboter ist zwar insofern ‚intelligent‘ als er lernen kann. Aber er hat bestimmt kein Bewusstsein!“
Das Faszinierende am Bewusstsein sind aber nicht die Dinge, die auch Roboter leisten. Es interessieren vielmehr die folgenden vier grossen Fragen:
- Ein Roboter mag Sensoren haben und damit äussere Reize aufnehmen, verarbeiten und speichern. Weshalb aber spüre ich Reize?
- Ein Roboter mag die Inputs seiner Sensoren speichern und verarbeiten. Weshalb kann ich bewusst über meine Erinnerungen nachdenken?
- Ein Roboter mag zwischen zwei oder mehr möglichen Outputs den geeignetsten auswählen. Aber weshalb kann ich meinen Körper bewusst steuern?
- In einigen Bereichen gleiche ich also einem programmierten Roboter, der mechanisch reagiert. In anderen aber kann ich bewusst entscheiden. Da erhebt sich die Frage: Wie kann ich freier werden? Was ist mein Spielraum, mein Leben selber zu gestalten? Wie muss ich dies anpacken?
Ich betrachte also drei Aufgabenbereiche des Bewusstseins, denen beim Computer Input, Verarbeitung und Output entsprechen. Als vierten Bereich aber betrachte ich unsere Möglichkeit, über einen programmierten Computer oder Roboter hinaus zu gehen und sich selbst zu lenken. Diese potentielle Freiheit hängt eng mit dem Begriff der Aufmerksamkeit zusammen. Somit erhalten wir:
- Das Ich als Erlebnis-Subjekt (Input)
- Das denkende Ich (Verarbeitung)
- Das Autorschafts- oder Kontroll-Ich (Output)
- Das über sich selbst nachdenkende und sich selbst steuernde Ich (Aufmerksamkeit)
Jedem der obigen vier Aufgabenbereiche des Bewusstseins widme ich ein Kapitel. Ich werde darin die obigen vier grossen Fragen zum Bewusstsein nicht beantworten. Eine Antwort dazu versuche ich im Artikel Wozu ist Bewusstsein gut? – Hier leiste ich aber die Vorarbeit zu dieser Antwort. Ich stelle zu jeder der vier Frage eine These auf und belege diese These mit einer Reihe von Experimenten oder Beobachtungen.
Als besonders geeignet für die Untersuchung des Bewusstseins erweisen sich Beobachtungen an Patienten mit psychischen Störungen oder Gehirnverletzungen. Ich bin zum Schluss gekommen, dass wir unmöglich verstehen können, was ein Mensch ist, wenn wir uns nicht mit Störungen des Bewusstseins befasst haben. Empfohlen seien in diesem Zusammenhang vor allem die Bücher von Oliver Sacks und die Zeitschrift Gehirn und Geist, die regelmässig und didaktisch hervorragend über neuste Erkenntnisse aus allen Bereichen der Gehirnforschung und der Psychologie berichtet.
Ausserdem müssen wir uns vergegenwärtigen, dass das Bewusstein – und damit meine ich alle von Roth aufgezählten Aspekte des Bewusstseins – Aufgaben erfüllt. Wir sollten uns immer überlegen, was nun jetzt gerade die Aufgabe ist, und überlegen, wie diese Aufgabe von einem Roboter gelöst werden könnte. Schöne Vorarbeiten zu dieser Frage findet man bei:
Dietrich Dörner, ‚Bauplan für eine Seele‘;
Cruse, Dean / Ritter, ‚Die Entdeckung der Intelligenz – oder Können Ameisen denken?‘ und
Douglas R. Hofstadter, ‚Escher Gödel Bach‘
Viele Autoren sind der Ansicht, dass Bewusstsein zwangsläufig auftritt, wenn man versucht, einen Roboter zu konstruieren, der sich wie ein Mensch benimmt. Darüber will ich hier nicht spekulieren. Mehr dazu in Wozu ist Bewusstsein gut?. Ich bleibe in diesem Artikel bei den experimentell nachweisbaren Effekten.
2. Input: Weshalb aber spüre ich Sinnesreize?
These: Das Bewusste, das Ich, ist nur indirekt und nur bruchstückhaft über die Gefühle und die Vorgänge im Körper eingeweiht. Vergleichbar mit einem schlecht informierten Pressesprecher muss es basierend auf mangelhaften Informationen ein möglichst konsistentes und PR-wirksames Gesamtbild aufbauen.
Das folgende Beispiel zeigt einen katastrophal schlecht informierten ‚Pressesprecher‘. Es zeigt aber auch, wie labil das Wissen über unseren eigenen Körper ist.
2.1. Ein fremdes Bein an meinem Körper
Gesunde Menschen spüren, wo ihre Arme und Beine sind und sie wissen, dass dies ihre Arme und Beine sind. Dieses innere Körpergefühl kann aber auch verloren gehen, wie Oliver Sacks (Sac 2) eindrücklich beschreibt. Verschiedene Störungen des inneren Körpergefühls schildert Sacks auch in ‚Der Mann, der seine Frau mit dem Hut verwechselte‘ (Sac 1).
Ein Mann entdeckt z. B. mitten in der Nacht zu seinem grossen Schrecken, dass ihm jemand ein fremdes Bein ins Bett gelegt hat. Begreiflicherweise ekelt er sich davor und wirft dieses Bein weg. Gleichzeitig fällt er aber selber aus dem Bett. Und da merkt er entsetzt, dass das fremde Bein an seinem Körper angewachsen ist! Es kommt aber noch schlimmer: Nicht nur ist ihm ein fremdes Bein angewachsen, nein, sein eigenes richtiges Bein wurde ihm amputiert!!!
Alle Beschwichtigungsversuche helfen nichts. Der sonst völlig normale Mann weigert sich zu akzeptieren, dass dies sein Bein sei und nicht ein angewachsenes. Es kommt nicht selten vor, dass solche Patienten verlangen, dass das fremde Bein amputiert werde. Eine leichtere Störung dieser Art ist, dass der Patient zwar seine Beine als die eigenen anerkennt, ihre Länge aber nicht abschätzen kann. Mal hat er das Gefühl auf einem hohen Turm zu stehen, mal, ungleich lange Beine zu haben.
Der Körper ist dabei völlig intakt, die Beine und Arme sind unverletzt oder nach einer Operation gut verheilt. Das Gehirn erkennt es nur nicht mehr als das eigene Bein. Dies geschieht sehr oft zumindest in geringem Mass, wenn nach einer Operation ein Glied eingegipst ist, also nicht bewegt und auch nicht gesehen wird. Eine solche Störung kann aber auch durch eine Blutung im Gehirn, durch einen Gehirnschlag oder durch einen Tumor im Gehirn entstehen oder auch bei Leuten, die exzessiv das Vitamin B6 konsumieren.
Der umgekehrte Fall sind die viel zitierten Phantomschmerzen. Patienten fühlen Schmerzen in einem Arm oder einem Bein, die schon lange amputiert sind. Das Gehirn hat sich die Schmerzen vor der Amputation eingeprägt und fühlt sie noch immer.
Auch im nächsten Beispiel ist der ‚Pressesprecher‘ miserabel informiert. In solchen Fällen kann schon das Gefühl aufkommen, eine lebendige Leiche zu sein.
2.2. Die Frau, die ihren Körper verloren hat
In (Sac 1) beschreibt Oliver Sacks eine Frau, die ihr inneres Körpergefühl völlig verloren hat. Sie hat keine Ahnung, wo sich ihre Arme und Beine befinden und was sie gerade tun. Selbst ihr Gesicht bleibt meist ausdruckslos, auch wenn sie von intensiven Gefühlen bewegt ist. Sie kann die Hände und ihre Haltung einigermassen kontrollieren, indem sie sie mit den Augen ansieht. Ihr Körper aber ‚sieht‘ nichts mehr. Sie hat das Gefühl, ihr Körper sei tot. Sie liebt es aber, ins Freie zu gehen und in einem offenen Wagen zu fahren. Denn so spürt sie den Wind auf ihrer Haut: Das äussere Körpergefühl hat sie nicht verloren. Dieses Beispiel zeigt, dass durch ein gestörtes inneres Körpergefühl auch das Kontroll-Ich beeinträchtigt ist. Wenn ich nicht weiss, was meine Arme tun, kann ich sie auch nicht kontrollieren.
Die folgenden zwei Beispiele zeigen, wie schnell ein schlecht informierter ‚Pressesprecher‘ zu falschen Interpretationen kommt.
2.3. Einen fremden Arm zu meinem eigenen machen
Das innere Körpergefühl ist sehr labil und kann leicht getäuscht werden. So können in einfachen Versuchen sehr verwunderliche Gefühle erzeugt werden. Z. B. legt die Versuchsperson ihre beiden Hände in einen Spiegelkasten (Abbildung 1). Sie kann nun ihre linke Hand nicht sehen, sieht dafür aber die rechte Hand im Spiegel an dieser Stelle. Zum Eingewöhnen bewegt die Versuchsperson beide Hände synchron. Da das Spiegelbild mit der gefühlten Bewegung übereinstimmt, wird es sehr bald für die linke Hand gehalten.
Seltsam wird das Gefühl, wenn die Hände plötzlich nicht mehr synchron bewegt werden. Es scheint dann, als habe man plötzlich die Kontrolle über den eigenen Körper verloren.
Abbildung 1 Spiegelkasten zur Täuschung des inneren Körpergefühls
Die Versuchsperson sieht ihre linke Hand nicht, dafür aber ihre Linke im Spiegel dort, wo die rechte Hand liegt. Mit dieser Anordnung wird das Spiegelbild sehr rasch als die eigene Hand ins innere Körpergefühl integriert. Es fühlt sich für die Versuchsperson sehr seltsam an, wenn die eine Hand berührt wird.
Diese Anordnung wird auch dazu eingesetzt, um Phantomschmerzen zu lindern.
Ein anderes Experiment funktioniert sehr ähnlich (Abbildung 2). Auf einem Tisch liegt eine Gummihand. Der Arm dazu ist so zugedeckt, dass er auch derjenige der Versuchsperson sein könnte. Dieser liegt aber unter dem Tisch auf einem Brett. Wird die Gummihand und gleichzeitig auch die echte Hand der Versuchsperson berührt, z. B. mit einer Feder oder mit einer Nadel u. s. w., dann hält die Versuchsperson sehr bald die Gummihand für ihre eigene und erschrickt, wenn die Gummihand z. B. mit einem Hammer geschlagen wird.
Abbildung 2 Täuschung des inneren Körpergefühls
Eine Gummihand liegt vor der Versuchsperson auf dem Tisch, während die richtige Hand unter dem Tisch auf einem Brett liegt. Beide Arme sind mit einem Tuch zugedeckt. Werden beide Hände auf gleiche Weise stimuliert, so zählt die Versuchsperson die Gummihand sehr bald zu ihrem eigenen Körper.
Das innere Körpergefühl ist auch für Menschen mit Prothesen bedeutsam. Wenn der Träger der Prothese sein Körpergefühl für das amputierte Glied verliert oder nicht auf die Prothese übertragen kann, wird die Prothese immer ein Fremdkörper bleiben (Sac 1).
So, wie in den obigen zwei Experimente eine falsche Hand vorgetäuscht wird, kann einer Versuchsperson auch vorgetäuscht werden, sie sei an einem anderen Ort. (Externer Link: Gehirn und Geist, `Mein Körper und Ich´). Die Versuchsperson kann bei diesem Experiment durch eine Videobrille in einer Live-Aufnahme sehen, wie ihr eigener Körper von hinten mit einem Stock berührt wird. Dies erweckt bei der Versuchsperson den Eindruck, sie stehe dort, wo sie das virtuelle Ich sieht.
In den folgenden zwei Experimenten wird der ‚Pressesprecher‘ durchaus richtig informiert. Dennoch interpretiert er die Botschaft völlig falsch. (Die Beschreibung dieser Experimente entnehme ich meinem Artikel Seele und Organtransplantation.)
2.4. Mein Körper sagt mir, ich sei verliebt (Kas 1)
Das erste Experiment ist der legendäre Brückenversuch des Psychologen Arthur Aron. Eine attraktive Mitarbeiterin begab sich in den Capilano Canyon, einen großen Naturpark in der Nähe von Vancouver, Kanada. Dort führte sie eine belanglose Umfrage unter den männlichen Parkbesuchern durch.
Für einige Befragungen stellte sie sich auf eine drei Meter hohe Holzbrücke, für andere auf die „Capilano Canyon Suspension Bridge“, die mit 137 Metern längste Fußgängerhängebrücke der Welt, die in 70 Metern Höhe über einen rauschenden Fluss führt. Nach der Umfrage gab die Frau den Männern noch auf der Brücke ihre Telefonnummer – für den Fall, dass sie mehr über das Projekt erfahren wollten. Wie nicht anders zu erwarten, nutzten manche der Männer das Angebot. Dabei stellten die Forscher verblüfft fest, dass die Männer von der Hängebrücke viermal häufiger zum Telefon griffen als jene von der Holzbrücke.
Wie kommt das? -Die Männer auf der wackligen Hängebrücke weit über der Schlucht sind in Gefahr. Ihr Gehirn meldet diese Gefahr den Nebennieren, welche Adrenalin ins Blut abgeben. Das Adrenalin verteilt sich schlagartig im ganzen Körper und schlägt Alarm. Es regt das Herz an, schneller zu schlagen, der Blutdruck erhöht sich, die Atmung heftiger. Das ist die Botschaft, die das Gehirn erhält: „Wow, dein ganzer Körper ist in Aufregung, dein Herz schlägt wie irr. Da muss irgendwas los sein!“
Das Gehirn hat nun die Aufgabe, zu interpretieren, was los ist. Es sieht die Hängebrücke, es sieht aber auch die Frau, die die Umfrage gemacht hat. Gerne sagt es nun: „Wow diese Frau bringt meinen Körper so in Wallung, das will ich wieder erleben. Ich rufe sie an!“
Wie im obigen Experiment tritt auch im folgenden das Ich nicht als souveräner Steuermann des Körpers auf, sondern als sekundärer Interpretator. Wenn das Bewusstsein ins Spiel kommt, ist der Mist schon gefahren. Das Bewusstsein hat meist höchstens eine sehr vage Vorstellung davon, weshalb der Körper so und nicht anders reagiert hat. Aber als Auskunftsdienst, Pressechef und Reklamationsstelle muss es sich eine konsistente Erklärung zusammen basteln.
2.5. Ich glaube, mein Körper sagt mir, ich sei verliebt (Kas 1)
Tatsächlich muss das Herz nicht einmal heftig schlagen. Es reicht, wenn die Versuchsperson glaubt, ihr Herz schlage schneller. Dies zeigte der Psychologe Stuart Valins im Jahr 1966 im folgenden Experiment.
Valins zeigte männlichen Versuchspersonen zehn Bilder attraktiver halbnackter Frauen. Die Versuchsteilnehmer wurden dabei an eine Apparatur angeschlossen die angeblich ihren Herzschlag aufzeichnete. Tatsächlich machte der Apparat gar nichts. Gleichzeitig erhielten sie über Kopfhörer als Rückmeldung Herztöne vorgespielt, die aber nicht ihre eigenen waren. Ein Zufallsgenerator wählte nun willkürlich eine Foto aus, bei der sich der einspielte Herzschlag stark erhöhte. Die Versuchspersonen sollten dadurch zum Glauben verführt werden, sie seien bei einer bestimmten Foto speziell erregt.
Die Kontrollgruppe kriegte dieselben Geräusche zu hören, während sie die Fotos anschaute, der Versuchsleiter bezeichnete die Herztöne aber lediglich als störendes Hintergrundgeräusch. Nach dem Versuch sollten die Versuchspersonen bewerten, wie attraktiv die Frauen auf den Fotos seien. Außerdem durften sie Fotos auswählen, die sie mit nach Hause nehmen konnten.
Das Experiment zeigte, dass die Gefühle der Probanden stark von den Herztönen beeinflusst wurden, wenn sie glaubten, sie hörten ihr eigenes Herz. Wenn ein Mann glaubt, sein Herz schlage heftig, so erscheint ihm die Frau wesentlich attraktiver.
Dieser Effekt erwies sich sogar als dauerhaft. Einen Monat später wurden die Probanden noch einmal befragt. Man erklärte ihnen, dass die Herztöne nicht die ihren waren. Trotzdem blieben die Männer bei ihren Entscheiden und fanden die damals gewählten Frauen noch immer die attraktivsten.
Das Experiment funktioniert übrigens nicht nur, wenn Männer halbnackte Frauen anschauen, sondern auch bei weniger emotional beladenen Dingen, wie z. B. Landschaftsbildern. Ausserdem bedeutet ein schnellerer Herzschlag auch nicht immer ein positives Gefühl. Wenn bereits negative Gefühle vorliegen, können diese sogar noch verstärkt werden. Die körperliche Erregung wird dann einfach anders interpretiert.
Nicht nur das Herz ist ein wichtiger Informant, was meine Gefühle angeht, sondern vor allem auch mein Gesicht. Indem ich den Gesichtsausdruck verändere, kann ich meine Gefühle verändern.
2.6. Die Gesichtsmuskulatur steuert meine Gefühle
Etwas Ähnliches habe ich auch schon an mir selber beobachtet. Ich ging in einen dunklen Keller, der ziemlich gross war. Plötzlich hörte ich hinter einigen Geräten irgend etwas Lebendiges rumpeln. Ich erschrak grässlich und machte zwei überstürzte Schritte zurück. Gleichzeitig hörte ich, wie das Tier oder der Mensch zwei rasche Schritte mir nach machte, was meinen Schrecken noch vergrösserte.
Das Faszinierende an diesem kurzen Erlebnis war, wie ich gemerkt hatte, dass ich erschrocken bin. Es war nicht so, dass ich erschrocken bin und deshalb zurück wich. Im Gegenteil: Ich wich automatisch zurück. Dass ich erschrocken bin, merkte ich an meinem Gesichtsausdruck: Ich spürte im Dunkeln ganz deutlich, dass mein Gesicht vor Angst verzerrt war. Dieses Gefühl des verzerrten Gesichtes und meine fliehenden Beine überzeugten mich, dass ich Angst hatte. Zuerst war die Verzerrung, dann das Bewusstsein der Angst. Und ich glaube, erst kurz nachdem ich meinen eigenen Schrecken wahrgenommen hatte, überprüfte ich meinen Körper und merkte dabei, dass ich sowas wie Ameisen im Bauch hatte. Mein Gesicht sagte mir: “Du bist heftig erschrocken!”
Später merkte ich, dass da gar kein Tier war, sondern dass ich nur in eine Schnur eingehängt war, an der ein Knüppel befestigt war. Als ich rasch zurück wich, riss ich auch diesen Knüppel mit, der über den Boden schlug, wie wenn mir ein Tier nachgerannt wäre.
Auch andere Gefühle werden über den Gesichtsausdruck vermittelt. Wir können unsere Gefühle sogar gezielt beeinflussen, indem wir den Gesichtsausdruck ändern. Mehr dazu in Abschnitt 5.
Die folgenden Experimente zeigen einige der vielfältigen Probleme, mit denen sich der ‚Pressesprecher‘ herumschlagen muss, wenn die Information mangelhaft ist. Meist ahnt er dabei gar nicht, dass ihm Information fehlt.
2.7. Halluzinationen / Migräne / Albträume
Auch bei gesunden Menschen können sporadisch Halluzinationen auftreten, sei das durch Übermüdung, Alkohol- oder Drogeneinfluss oder im Zusammenhang mit einem Migräneanfall (Sac 3). Migräne kann sehr unterschiedliche Formen annehmen und besteht keineswegs nur aus Kopfschmerzen. Sie wird häufig begleitet von Skotomen, also Löchern in der Sehwahrnehmung. Oft zerfallen die Bilder in geometrische Figuren. In (Sac 3) findet man eine Reihe von Bildern, mit denen Migräne-Patienten malten, was sie während eines Anfalls erleben. Diese Bilder erinnern stark an die kubistischen Bilder von Picasso, der wohl auch unter Migräne litt.
Zwei andere Migräne Erscheinungen sind die Lilliput- und die Gulliver-Halluzination (Mikropsie und Makropsie, bei denen, alle Dinge der Umgebung plötzlich sehr klein oder sehr gross wirken. Lewis Carrolls, der ebenfalls Opfer heftiger Migräne-Attacken war, beschrieb diese Erscheinungen in ‚Alice im Wunderland‘. Da im Buch die Illusionen durch Tränke ausgelöst werden, halte ich es aber für möglich, dass Carroll sie unter Drogeneinfluss kennengelernt hatte.
Eine sehr unangenehme Art der Halluzination ist der Albtraum. Unter einem Albtraum verstehe ich hier nicht einen Angsttraum. Im Gegensatz zum Angsttraum fühlt sich das Opfer beim Albtraum hell wach. Es liegt aber starr oder wie gelähmt im Bett und sieht bei klarem Bewusstsein, wie ein Gnom ihm einem auf der Brust hockt oder ein schlangenartiges Wesen es umschlinge, so dass es sich nicht mehr rühren kann. Solche Albträume sind viel häufiger als man erwarten würde. Die meisten Betroffenen scheuen sich, davon zu berichten, weil sie nicht für verrückt gehalten werden wollen.
Die Ursache für Albträume sind Einschlaf- oder Aufwachstörungen. Beim Einschlafen schlafen im Gehirn nicht alle Areale gleichzeitig ein und beim Aufwachen wachen auch nicht alle Areale gleichzeitig auf. Dadurch kann es geschehen, dass zwar die motorische Kontrolle bereits eingeschlafen ist, während aber das bewusste Erleben noch klar funktioniert. Das Opfer dieser simplen Erscheinung merkt dann, dass es sich nicht mehr bewegen kann und sucht dafür Gründe. Wenn gleichzeitig der Realitätssinn auf der Kippe zum Traum ist, kommt es zu einem Wachtraum, in dem die Lähmung auf abenteuerliche Weise interpretiert wird, eben als irgend eine grässliche Gestalt, die einen an der Bewegung hindert.
Ein Wachtraum kann aber auch mitten am Tag vorkommen und muss nicht zwingend furchterregend sein. Oliver Sacks (Sac 3) zitiert den Erfahrungsbericht eines Betroffenen, einem Migräne-Patienten. Seine Migräne-Attacke wurde einem Flimmerskotom eingeleitet, darauf folgt der folgende traumartige Zustand:
„Kurz nachdem ich mein Sehvermögen wiedergewonnen hatte, geschah etwas sehr Seltsames. Zunächst wusste ich nicht, wo ich war, dann merkte ich plötzlich, dass ich mich wieder in Kalifornien befand… Es war ein heisser Sommertag. Ich sah meine Frau auf der Veranda und bat sie, mir eine Cola zu bringen. Sie wandte sich mir mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht zu und sagte: ‚Bist du krank oder was?‘ Plötzlich schien ich aufzuwachen und stellte fest, ich befand mich in New York und es war Winter, es gab keine Veranda, und nicht meine Frau, sondern meine Sekretärin stand im Büro und schaute mich befremdet an.“
Ich kenne diese Frau nicht, aber die obige Beschreibung klingt nicht unbedingt nach einem Albtraum.
Oft werden Halluzinationen von Drogen ausgelöst. Ein solches Erlebnis hatte ich selber als ich etwa fünf Jahre alt war. Ich war krank und kriegte einen süssen Hustensirup, der mir sehr schmeckte. Ich habe deshalb heimlich noch einige Schlucke davon getrunken. In der Nacht, als es dunkel war im Zimmer, bin ich erwacht und ich sah einen grossen leuchtenden Vogel auf mich zukommen, der etwa aussah wie ein Schuhschnabel aus farbigen Neonröhren. Ich stand auf im Bett und schrie den Vogel an, er solle verschwinden. Er kam aber langsam auf mich zu. Dann rannte ich an ihm vorbei zur Türe hinaus, und eine riesige farbig leuchtende Spinne rannte mir nach.
Meine Mutter beruhigte mich dann und sagte, diese Dinge seien nur in meiner Vorstellung. Ich solle an etwas Schönes denken. Darauf sah ich leuchtende Fische durchs Zimmer schwimmen. In den Nächten darauf sah ich wieder grässliche Dinge, einige riesige Weberknechte, aber die Farben waren verschwunden. Und weil wir Licht ins Zimmer liessen, konnten die Spinnentiere nicht zu mir aufs Bett kommen.
Die Halluzinationen waren nicht reine phantastische Erfindungen von mir. Wir hatten kurz zuvor den Zoo besucht und dort das Nilpferdhaus angeschaut, das mir offensichtlich Angst gemacht hatte. Vor dem Haus war ein kleiner, mit hohen Betonmauern umschlossener Platz, in dem starr und bewegungslos ein Schuhschnabel stand. Das ist ein wohl ein Meter hoher Vogel mit einem grossen schuhförmigen Schnabel und einem ausgesprochen starren Blick. Ich dachte mir: „Was muss das für ein böser Vogel sein, dass man ihn hinter so dicken Mauern einsperren muss?“
Im Haus drin hatte meine Mutter Angst, dass wir ins Nilpferdgehege fallen. Diese Angst hat sich auf mich übertragen. Ich verband sie aber eher mit dem Halbdunkel in diesem Haus und mit einem Glaskasten mit Vogelspinnen drin, von denen man mir sagte, sie seien die giftigsten Spinnen der Welt und wenn sie einen beissen, stirbst du innert drei Minuten.
Halluzinationen entstehen also, wenn Teile des Gehirns in irgendeiner Weise beeinträchtigt sind. Sie zeigen wohl meist Dinge, die einen unbewusst oder bewusst gerade beschäftigen, Fragmente von früheren Erlebnissen in verzerrter Form. Wenn das Gehirn z. B. durch Drogenkonsum chemisch aus dem Gleichgewicht gebracht wird, kann z. B. ein Bereich der Sehrinde überreizt sein. So sehen z. B. Alkoholiker auf Entzug oft weisse Punkte über ihr Sehfeld huschen. Das Gehirn versucht, diese Erscheinung zu interpretieren, und halluziniert weisse Mäuse, die durchs ganze Zimmer krabbeln.
Noch häufiger als visuelle Halluzinationen ist das Stimmenhören. Auch dieses kann bei völlig gesunden Menschen hin und wieder auftreten, z. B. bei einsamen Höhlen- oder Polarforscher. Auch der Physiker Richard Feynman berichtet, zweimal Stimmen gehört zu haben, nämlich nachdem er Leute mit ausländischem Akzent hatte sprechen hören (Fey 3).
Belastend und auch gefährlich wird das Stimmenhören, wenn die Stimme auch das Kommando übernimmt und Befehle herausgibt. Dazu im 4. Kapitel mehr.
Das nächste Beispiel zeigt eindrücklich, wie ein verzweifelter ‚Pressesprecher‘ zu halluzinieren beginnt, wenn er überhaupt keine Informationen mehr erhält.
2.8. Ausserkörperliche Wahrnehmung (Out of body Erfahrung)
Das Gefühl, den eigenen Körper von aussen zu beobachten, kann mit einiger Übung unter bestimmten Umständen, evtl. auch unter Anwendung von Drogen gezielt experimentell erzeugt werden. Der Physiker Richard Feynman berichtet ausführlich von ausserkörperlichen Erfahrungen, auch ‚Out of Body Erfahrungen‘ genannt (Fey 3). Um das Erlebnis auszulösen, legte er sich in einen Salzwassertank, der dazu konzipiert ist, alle Sinnesreize auszuschalten: Es ist dunkel und geräuschlos, das Wasser hat Körpertemperatur und ist salzig, damit der Körper darin von selbst schwimmt. Feynman übte mehrere Tage, verwendete auch eine spezielle Atemtechnik und erlebte schliesslich unter leichtem Drogeneinfluss das Gefühl, den eigenen Körper zu verlassen.
„Irgendwann im Laufe der Übung merkte ich plötzlich – es ist schwar zu erklären -, dass ich etwas daneben war. Mit anderen Worten, bezogen darauf, wo mein Atem ein- und ausging, ein und aus, war ich nicht in der Mitte: Mein Ich war ein bisschen seitlich verschoben, um ein paar Zentimeter.
Ich dachte: ‚Ja, wo befindet sich denn nun das Ich? …“
„…nach einer Weile schaffte ich es, mein Ich durch den Hals in meine Brust wandern zu lassen. Als mir ein Wassertropfen auf die Schulter fiel, spürte ich es ‚dort oben‘, über der Stelle, wo ‚ich‘ war. …“
„Als ich ein andermal im Tank war, beschloss ich, wenn ich mich bis zu meinen Lenden bewegen konnte, müsste ich es auch schaffen, ganz aus meinem Körper hinauszukommen. Auf diese Weise brachte ich es fertig, ‚neben mir zu sitzen‘. Es ist schwer zu erklären – …Das Gefühl in meinen Fingern und alles andere war genau wie sonst, bloss dass mein Ich draussen sass und das alles ‚beobachtete‘.“ Man beachte hier, dass es im Tank drin dunkel ist und man natürlich gar nichts ‚beobachten‘ konnte, was Feynman selbstverständlich klar war.
„Das ging so weit, dass ich meine Hände, wenn ich sie bewegte, als etwas Mechanisches sah, das rauf und runter ging – sie waren nicht aus Fleisch und Blut; sie waren etwas Mechanisches. Aber ich konnte immer noch alles fühlen. Die Empfindungen stimmten genau mit der Bewegung überein, aber ich hatte gleichzeitig so ein Gefühl wie ‚das ist er‘. ‚Ich gelangte schliesslich sogar aus dem Raum hinaus, wandere herum und begab mich weiter fort an Orte, wo Dinge passiert waren, die ich früher, an einem anderen Tag, erlebt hatte.“
„Einmal konnte ich meinen Hinterkopf ‚sehen‘, der auf meinen Händen lag. Als ich meine Finger bewegte, konnte ich sehen, wie sie sich bewegten, aber zwischen den Fingern und dem Daumen sah ich den blauen Himmel. Das konnte natürlich nicht sein; es war eine Halluzination. Aber die Sache ist so, dass, wenn ich meine Finger bewegte, ihre Bewegung exakt mit der Bewegung übereinstimmte, die ich mir einbildete zu sehen.“
Es gibt keinen Hinweis, dass Menschen bei solchen ‚Seelenwanderungen‘ Dinge wahrnehmen, die sie nicht über ihre bekannten Sinne in ihrem eigenen Körper auch wahrnehmen. Wenn also Feynman das Gefühl hatte, ‚aus dem Raum hinaus zu gehen‘, so konnte er dabei keineswegs in einem anderen Raum irgendwelche Dinge sehen, von denen er nicht zum Vornherein wusste, dass sie dort sind.
Übrigens sollen andere Menschen in so einem Tank sehr viel rascher zu solchen ausserkörperlichen Erfahrungen kommen. Neurologen vermuten, dass das unterbeschäftigte Gehirn sich selber eine Beschäftigung sucht und sich eine Welt aufbaut. Dies macht durchaus Sinn: Wenn ich durch einen dunklen Wald gehe und kaum Informationen durch meine Augen kriege, muss ich die kleinste Information maximal auswerten. Dies tue ich, indem ich mein mageres Wissen plausibel ergänze. Dabei kann es zwar passieren, dass ich einen Baumstamm zu einer Bestie uminterpretiere. Das ist aber wesentlich harmloser als einer tatsächlichen Bestie ahnungslos in die Klauen zu laufen.
Ausserkörperliche Wahrnehmungen –so fremd sie uns anmuten- sind doch in mancherlei Hinsicht unserem Denken im Alltag nahe. Oft ist es von grosser Wichtigkeit, dass ich mich im Raum orientieren kann, dass ich also eine klare Vorstellung habe, wie meine Lage und meine Position im Raum ist. Die Abbildung 4 zeigt, dass dazu sehr oft die ausserkörperliche Perspektive geeigneter ist als die an meinen Körper gebundene. Natürlich muss ich für die ausserkörperliche Perspektive Dinge erraten, die ich nicht wissen kann. Genau darauf ist unser Bewusstsein spezialisiert.
3. Abbildung ausserkörperliche Perspektive
Wenn ich mein Fahrrad suche, ist die obere, ausserkörperliche Perspektive zweifellos geeigneter als die untere, die an meine Position gebunden ist. Im Alltag nehmen wir deshalb in Gedanken sehr oft eine ausserkörperliche Perspektive ein.
2.9. Hemineglect – Die halbe Welt existiert nicht
Die Sinneswahrnehmungen sind eng verknüpft mit unseren Erinnerungen an ähnliche Sinneswahrnehmungen und ebenso mit den dabei empfundenen Gefühlen. Besonders deutlich wird dies an Patienten, bei denen z. B. durch eine kleine Blutung oder ein Hirnschlag die Sehrinde geschädigt ist, also der Gehirnbereich, in dem die visuellen Reize verarbeitet werden (Sacks Der Mann, der seine Frau…).
Die Sehnerven überkreuzen sich bekanntlich im Gehirn. Die von links kommenden Bilder werden in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet und umgekehrt (siehe Abbildung 4). Wenn die Störung in der rechten Gehirnhälfte passiert, kann die Person die ganze linke Hälfte der Welt nicht mehr wahrnehmen. Dabei hat sie aber keineswegs das Gefühl, die linke Seite sei irgendwie verdeckt oder im Dunkeln. Nein: Die linke Seite der Welt existiert gar nicht!
Abbildung 4 Überkreuzung der Sehnerven im Gehirn
Die von links kommenden Sehreize werden in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet und umgekehrt. Dasselbe gilt übrigens auch für akkustische Reize und für den Tastsinn. nur der Geruchssinn ist nicht überkreuzt.
Achtung: Nicht alle Reize vom linken Auge gehen in die rechte Gehirnhälfte, sondern vonbeiden Augen wird die linke Hälfte in die rechte Gehirnhälfte geleitet.
Wenn wir mit Scheuklappen durch die Welt gehen, fühlen wir uns behindert und so drehen wir eben den Kopf umso mehr. Ein Patient mit so einem sogenannten Neglect vermisst nichts. Der Patient mit rechtsseitigem Neglect (der also die linke Seite nicht wahrnimmt), isst von seinem Teller nur die rechte Seite leer. Er kann es sich zum Ritual machen, nach dem Essen den Teller um 180° zu drehen, so dass sich dieser wieder füllt. Dies erscheint ihm aber jedesmal von Neuem wie Magie.
Abbildung 5 Typisches Neglect Bild
Ein Neglect Patient soll die oberen Zeichnung zeichnen, schafft aber die untere. Er hat dabei das Gefühl, er habe alles gezeichnet. Bemerkenswert ist, dass der Patient auch die Blume rechts aussen nicht vollständig zeichnet. Was fehlt, hängt von der Aufmerksamkeit des Patienten ab. Konzentriert er sich auf das Gesamtbild, so ignoriert er die Blume links. Konzentriert er sich aber auf die Blume rechts, so missachtet er den linken Teil dieser Blume.
Gleichzeitig mit dem linken Gesichtssinn geht aber auch die Erinnerung an die linke Seite von Bildern und die Vorstellung davon verloren, wie ein Experiment von Bisiach und Luzzatti (1978) zeigt. In diesem Experiment wurden Neglect Patienten aufgefordert, von einer bestimmten Perspektive aus einen Platz zu beschreiben, den sie sehr gut kennen. Patienten mit rechtsseitigem Neglect beschrieben nun sehr schön alle Häuser auf der rechten Seite des Platzes und waren dann völlig überzeugt, alles beschrieben zu haben. Nun wurden sie aufgefordert, in Gedanken über den Platz zu gehen und sich dann umzukehren. Aus dieser neuen Perspektive sollten sie noch einmal den Platz beschreiben. Nun zählten die Patienten alle Häuser auf der anderen Seite auf, die sie vorher vergessen hatten und ignorierten dafür diejenigen, die sie eben noch gewusst hatten. Dabei waren sie wieder überzeugt, alles vollständig geschildert zu haben.
Dass bei solchen Patienten im Alltag Probleme auftreten, ist offensichtlich. Es kann geschehen, dass Gegenstände, mit denen sie eben noch hantiert haben, plötzlich nicht mehr in der Welt sind. Man kann diesen Patienten nicht sagen, sie sollen sich einfach nach links drehen. Denn links gibt es nicht in ihrer Welt. Die Patienten können sich aber einen magischen Trick aneignen: Immer wenn ein Gegenstand aus der Welt verschwindet, drehst du dich so lange nach rechts, bis er auf der rechten Seite wieder auftaucht!
Eines der Probleme von Neglect Patienten ist die Körperpflege. Da sie z. B. nur die eine Seite ihres Gesichts wahrnehmen, werden sie auch nur diese Seite schminken, bzw. rasieren. Oliver Sacks nahm deshalb eine Patientin mit rechtsseitigem Neglect auf Video auf und spielte ihr den Film sogleich vor, so dass sie sich anstelle eines Spiegels im Fernsehen sah. Zwei Spiegel im rechten Winkel zueinander aufgestellt würden das Gleiche leisten (Sac 1).
Der Frau bot sich ein überaus grusliges Bild: Sie sah nun nur noch ihre linke Körperseite, die in ihrer Welt überhaupt nicht mehr existierte. Die linke Körperhälfte war gefühllos, denn bei ihr war, wie bei vielen Neglect Patienten, mehrere Sinne betroffen. Auch wenn ein Patient nicht gelähmt ist, kann eine Bewegung unter diesen Umständen nicht als bewusst kontrolliert erlebt werden, weil vom bewegten Körperteil keine Rückmeldung kommt. Die Frau sah sich also im Kehrspiegel Dinge tun, von denen sie nichts wusste, schminkte ein Gesicht, das es nicht gab und sah gleichzeitig ihr eigenes Gesicht nicht, obwohl sie es fühlte und wusste, dass sie es sehen müsste.
Wie auch immer, jedenfalls wollte die Patientin nicht länger in diesen Wendespiegel schauen.
Beim Hemineglect ist der Patient übrigens auch auf der gestörten Gesichtshälfte nicht völlig blind. Wenn man dem Patienten von der gestörten Seite her einen Ball zuwirft, kann der Patient ihn reflexartig fangen, obwohl er ihn nicht bewusst wahrnimmt. Solche Reflexe werden nämlich ausserhalb der Grosshirnrinde und damit unbewusst ausgelöst (Rot 1).
2.10. Skotome: Löcher in meiner Welt
Beim sogenannten Skotom verschwindet nicht die halbe Welt, sondern der Betroffene erlebt nur ein oder mehrere Löcher in seinem Gesichtsfeld. Auch hier ist nicht ein Teil des Bildes abgedeckt oder dunkel, sondern es ist schlicht nichts mehr da. Eindrücklich beschrieben sind Skotome in ‚Die unendliche Geschichte‘ von Michael Ende. Die Welt löst sich nach und nach in Nichts auf. Auch hier handelt es sich nicht um eine Störung der Netzhaut, denn sonst würden die Betroffenen einfach an einer Stelle einen schwarzen Fleck sehen. Skotome sind meist vorübergehende Erscheinungen, die z. B. bei grosser Müdigkeit oder bei Migräneanfällen auftreten können. Weitere Beschreibungen von Skotomen und damit verwandten findet man in (Sac 3).
Es erscheint kaum vorstellbar, dass ein Mensch nichts vermisst, obwohl ihm doch offensichtlich ein Stück in seinem Bild von der Welt fehlt. Tatsächlich erleben aber auch gesunde Menschen genau das ständig. Denn jeder von uns hat einen blinden Fleck in beiden Augen: An der Stelle der Netzhaut, wo der Sehnerv weggeht, haben wir keine Sehzellen.
Abbildung 6 Versuch zum Blinden Fleck
Decken Sie das linke Auge ab und schauen Sie auf das Kreuz. Wenn Sie sich nun dem Kreuz nähern, verschwindet plötzlich der blaue Fleck, wenn Ihr Auge etwa 15 cm vom Kreuz entfernt ist. Das Gehirn vermisst den blauen Fleck aber nicht, sondern ergänzt die fehlende Stelle mit der Farbe, die am plausibelsten erscheit: mit Gelb. Genau das tut das Bewusstsein andauern in allen nur denkbaren Bereichen: Es ergänzt und kombiniert die höchst mangelhafte Information so, das ein plausibles und möglichst konsistentes Gesamtbild entsteht.
Den gleichen Versuch können Sie natürlich mit dem linken Auge machen, wenn Sie das rechte abdecken und auf den blauen Fleck schauen. Dann verschwindet das Kreuz.
2.11. Weitere Störungen der Sehrinde
Was wir sehen, wird im Gehirn nicht wie auf eine Leinwand abgebildet. Vielmehr wird das Bild bereits in der Netzhaut nach verschiedenen Aspekten in Informationen zerlegt. David Hubel und Torsten Wiesel erhielten für ihre Arbeit zu diesem Thema 1981 den Nobelpreis. Sie zeigten z.B., dass es in der primären Sehrinde der Katze Neuronen gibt, die nur feuern, wenn die Katze eine Linie anschaut, die in einem bestimmten Winkel steht. Diese Neuronen müssen also die Information mehrerer Sehzellen miteinander verrechnen. Neuronen in der Nähe reagieren auf Linien von einem anderen Neigungswinkel. Weitere Neuronen reagieren, wenn die Linie ein Übergang von hell zu dunkel ist. Wieder andere reagieren nur auf dünne Striche u. s. w.
In der sekundären Sehrinde werden die Informationen der primären Sehrinde weiter gebündelt und kombiniert.
Durch diese Art der Bildverarbeitung wird das Bild nicht wie bei einer Digitalkamera gespeichert, sondern es werden bereits die Voraussetzungen für eine Interpretation und Erkennung des Bildes geschaffen. Das Problem bei den Bilder im Alltag ist ja, dass ein noch so vertrautes Gesicht jedesmal anders aussieht, wenn ich es aus einer anderen Perspektive sehe. Nur wenn ein Bild nicht pixelweise gespeichert, sondern nach Eigenschaften zerlegt wird, kann es mit einem anderen Bild des gleichen Objektes identifiziert werden.
Die Bilder, die auf unsere Netzhaut gelangen, werden bis zur Unkenntlichkeit in Einzelteile zerlegt. In einer Schicht werden Farben wahrgenommen, in einer anderen Bewegungen, unterteilt in Bewegungen von Objekten und Bewegungen von Lebewesen. In einer dritten Schicht erkennen wir Formen, in einer vierten Linien, u. s. w. In einem speziellen Bereich werden Gesichter verarbeitet.
Nun kann es geschehen, dass Teile der Sehrinde geschädigt werden, weil sie z. B. zu wenig Sauerstoff erhalten. Dies kann dazu führen, dass ein Patient z. B. keine Formen mehr erkennen kann, obwohl er sonst normal sieht. Oder dass er Gegenstände nur erkennt, wenn sie sich bewegen, nicht aber, wenn sie in Ruhe sind. Auch in diesen Fällen vermissen die Patienten eigentlich nichts in ihrem Bild. Häufig sind es Verwandte, die sie zu einem Augenarzt schicken. Tatsächlich gehören solche Störungen aber nicht in den Bereich eines Augenarztes, sondern in den eines Neurologen.
Natürlich können auch andere Sinne in vergleichbarer Weise gestört sein, wie die oben beschriebenen Störungen des Sehsinnes.
2.12. Sehen, ohne zu verstehen
Natürlich müssen die so in Einzelteile zerlegten Bilder auch wieder zu einem Bild, zu einem Begriff zusammengesetzt werden. Auch dazu ist ein spezielles Areal im Gehirn zuständig und auch dieser Prozess kann gestört sein. Dies führt zur eigenartigen Situation, dass eine Person zwar alle Details eines Gegenstandes präzise beschreiben kann, aber dennoch nicht die geringstse Ahnung hat, um was für einen Gegenstand es sich dabei handelt. Einen solchen Fall beschreibt Oliver Sacks, einen originellen und geistig wendigen Mann, der immer noch als Musikprofessor an der Universität dozierte, und dies keineswegs aus Barmherzigkeit, wie Sacks feststellte. Sacks drückte ihm einen Handschuh in die Hand und fragte: “Was ist das?” Der Professor untersuchte den Handschuh sorgfältig und beschrieb ihn so: “Eine durchgehende Oberfläche, die eine Umhüllung bildet. Sie scheint – ich weiss nicht, ob das das richtige Wort dafür ist – fünf Ausstülpungen zu haben. “
Sacks bat ihn, zu sagen, was es ist. – “Eine Art Behälter?”
“Ja, aber für was?”
“Für alles, was man hineintut!” antwortete Dr. P. lachend. “Da gibt es viele Möglichkeiten. Man könnte es zum Beispiel als Portmonnaie verwenden, für fünf verschiedene Münzgrössen. Man könnte…”
“Kommt es Ihnen nicht bekannt vor? Könnten Sie sich vorstellen, dass es an einen Teil Ihres Körpers passen würde?”
Er machte ein ratloses Gesicht. Später, durch Zufall, schlüpfte er in den Handschuh und rief aus: “Du liebe Zeit, das ist ja ein Handschuh!”(Sac 1)
Bei all diesen Fehlinterpretationen schien der Patient keineswegs beunruhigt. Er amüsierte sich über seine Fehler, fand aber, er habe seine Aufgabe im Grossen und Ganzen gut erledigt. Hier ist offensichtlich der ‚Pressesprecher‘ so übereifrig am Werk, dass er gar nicht merkt, dass ihm wichtige Informationen fehlen. Ich denke, dies ist der Normalzustand eines ‚Pressesprechers‘, wenn auch nicht in diesem krassen Ausmass.
2.13. Wo bin ich?
Auch schon ein leichter Schlaganfall kann dazu führen, dass Menschen nicht mehr wissen, wer oder wo sie sind (Rot 1). Gerhard Roth schreibt sogar: „Wieder andere Menschen behaupten, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, zum Beispiel in Hamburg und in Bremen (für Hamburger eine ebenso schreckliche Vorstellung wie für Bremer).“
Schizophreniekranke empfinden ihre vertraute Umgebung oft als fremd oder umgekehrt eine fremde Umgebung als so vertraut. Hell / Schüpbach schreiben (Hel 1): „So wähnte sich eine Patientin bei einer Busfahrt ins Ausland im heimatlichen Schweizerkanton und fiel bei einer Rast dadurch auf, dass sie Mitreisende zu sich nach Hause einlud, was ‚gleich um die Ecke sein muss‘.“ Schon das vage Gefühl, in einer vertrauten Umgebung zu sein, kann also zu massiven Fehlinterpretationen führen.
2.14. Ich bin zwei
Eine spezielle, wenn auch sehr seltene Form von ausserkörperlicher Erfahrung sind sogenannte autoskopische Phänomene, bei denen die Betroffenen das Gefühl haben, ihr Körper habe sich verdoppelt. Dieses Symptom tritt gelegentlich bei Migräne, Gehirntumoren, Epilepsie, Drogenmissbrauch oder Depressionen auf. Neurologen vermuten, dass dieses Gefühl durch eine Überfunktion in dem Hirnareal entsteht, das für die optische Selbstwahrnehmung zuständig ist. Dasselbe könnte bei Nahtoderfahrungen geschehen, bei denen ein Mensch als Zuschauer aus der Ferne seinen eigenen Beinahe-Tod beobachtet.
2.15. Unbewusste Wahrnehmungen
Es muss betont werden, dass keineswegs alle Sinneswahrnehmungen bewusst werden. Im Gegenteil besteht die wichtigste Arbeit unserer Sinne darin, festzustellen, welches die unwichtigen Dinge sind, und diese zu löschen. Ein weiterer Teil der Wahrnehmungen wird zwar gespeichert, aber doch nicht bewusst.
Von solchen unbewussten Wahrnehmungen berichten manche Menschen unter Hypnose. Manche Patienten, die sich in Narkose befanden (d. h. Verlust der Reflexe, keine Schmerzwahrnehmungen, keine Erinnerungen an die Situation), können dann unter Hypnose z. B. die Unterhaltungen des Operationspersonals genau wiedergeben. Die Unterhaltung ist zwar unbewusst, aber durchaus inhaltlich verstanden. Wenn z. B. der Arztes von Krebsverdacht spricht, kann dies beim Patienten Depressionen auslösen (Kos 1).
Der Hypnotiseur muss dabei allerdings sehr sorgfältig und seriös arbeiten, weil man mittels Hypnose auch eine grosse Suggestionswirkung erzielt und den Patienten falsche Erinnerungen einspeichern kann. Ein weiteres Experiment, bei dem eine Versuchsperson unbewusste Wahrnehmungen in ihre Entscheide aufnimmt, beschreibt Watzlawick (Wat 1). Verwendet wird ein Set von 25 Psi-Karten, von denen je fünf dasselbe Symbol tragen, nämlich Kreuz, Kreis, Quadrat, Fünfeck oder Wellenlinie. Der Versuchsleiter schaut jeweils eine Karte an, die Versuchsperson soll erraten, was darauf ist. Die Versuchsperson rät einmal pro Karte, und der Versuchsleiter teilt ihr sofort mit, ob sie richtig geraten hat. Für die Versuchsperson völlig verblüffend ist, dass sie ihre Trefferquote stetig steigert als trainiere sie hier ihre übersinnlichen Fähigkeiten.
Der Trick besteht darin, dass der Versuchsleiter je nach Karte ein bestimmtes Zeichen gibt, von dem die Versuchsperson nichts ahnt. Z. B. könnte er jedesmal, wenn die Welle kommt, mit der Hand durch die Haare fahren und bei jedem Kreis mit dem Fuss stampfen. Obwohl nichts abgesprochen ist und die Zeichen sehr diskret sind, nimmt die Versuchsperson sie unbewusst wahr und lernt nach und nach, die Karten richtig zu erraten. Nach Watzlawick nähert sich die Erfolgskurve auf nahezu 100 Prozent.
Obwohl Watzlawick das Experiment als ‚einfach‘ bezeichnet, hat es bei mir nicht wirklich geklappt. Das mag auch daran liegen, dass ich meiner Versuchsperson nicht lange und überzeugend genug diesen Hokuspokus vorspielen konnte. Der Gedankenleser Thorsten Havener hat das Experiment minimal abgeändert und erreicht damit einen durchschlagenden Erfolg (Hav 2). Dies ist eines der verblüffendsten Experimente, das ich kenne. Es funktioniert fast immer und Sie können damit Ihr Publikum wirklich aus der Fassung bringen.
Sie brauchen nur fünf Karten und eine Versuchsperson, die sich gesund fühlt. Eine davon halten Sie der Versuchsperson vor die Stirne. Die Versuchsperson soll mit geschlossenen Augen die ‘Schwingungen’ und die ‘Aura’ der Karte aufnehmen. Dazu die Anweisung: “Atmen Sie tief. Versuchen Sie alles aufzunehmen, was von dieser Karte kommt.” Nach einer Weile legen Sie alle fünf Karten auf den Tisch. Die Versuchsperson darf ihre Augen wieder öffnen. Nun soll Sie eine Karte nach der anderen wieder vor ihre Stirn halten und so herausfinden, welche Karte sie bereits ‘gespürt’ hat.
Ich habe das Experiment neun Mal in drei verschiedenen Schulklassen durchgeführt. Sieben Mal hat es funktioniert. Nur in einer Klasse hat ein Schüler beim dritten Versuch erraten, wie es funktioniert. Ganz einfach: Die Karte ist leicht parfümiert. Deshalb muss die Versuchsperson gesund sein und auf keinen Fall erkältet. In den zwei Fällen, bei denen es nicht funktionierte, machte ich das Experiment in zwei gleich aufeinanderfolgenden Stunden mit der gleichen Karte. Ich habe dazwischen kein neues Parfüm aufgetragen.
Wir nehmen also unbewusste Reize nicht nur wahr, sondern wir lassen sie auch in unsere Entscheidungen einfliessen. Bei Düften funktioniert dies besonders effektiv, weil die meisten Geruchsnerven ins Mittelhirn führen, wo sie nicht zu bewussten Wahrnehmungen führen, aber die Gefühle prägen. Dabei sind wir uns überhaupt nicht bewusst, wie viel Information in den Gerüchen stecken. Eindrücklich zeigt dies Oliver Sacks am Fall eines Drogensüchtigen, der als Folgewirkung der Drogen plötzlich für einige Tage einen überragenden Geruchssinn entwickelte (Sac 1).
Er konnte plötzlich Menschen, die er nur flüchtig kannte, nach ihrem Geruch erkennen. Er roch, ob sie wütend waren oder Lust auf Sex hatten und ob eine Frau ihre Tage hatte. Jede Person und jedes Ding trug in Form von Gerüchen eine Geschichte mit sich. Der Mann roch, wo eine Person gewesen war und mit wem. All diese Gerüche sind vorhanden und die Menschliche Nase ist grundsätzlich dazu in der Lage, sie zu unterscheiden. Im Alltag nehmen wir die Gerüche zwar nicht bewusst wahr. Aber wir müssen davon ausgehen, dass sie uns unbewusst leiten. Die betrogene Ehefrau riecht, dass sie betrogen worden ist. Sie weiss es zwar nicht, aber es ist durchaus möglich, dass ihre Gefühle sich durch den Vorfall ändern.
Es gibt verschiedene ähnliche Versuche, bei denen die Entscheide der Versuchspersonen durch unterschwellige Reize manipuliert werden sollen. Grossen Wirbel haben unterbewusste Botschaften in Werbungen gemacht. Dabei wird in einen Werbefilm für eine sehr kurze Zeit ein Wort eingeblendet, z. B. ‚Kaufe!‘. Obwohl solche Wörter nicht bewusst wahrgenommen werden, fliessen sie in die Entscheide unbewusst ein. Vor allem werden Markennamen vertraut, wenn sie auf diese Weise unterbewusst eingeblendet werden. Beruhigenderweise werden wir durch diese Technik nicht mehr manipuliert als durch einen gewöhnlichen, bewusst wahrgenommenen Schriftzug.
2.16. Zusammenfassung
Die obigen Experimente und Beobachtungen sollten die folgende These stützen:
These: Das Bewusste, das Ich, ist nur indirekt und nur bruchstückhaft über die Gefühle und die Vorgänge im Körper eingeweiht. Vergleichbar mit einem schlecht informierten Pressesprecher muss es basierend auf mangelhaften Informationen ein möglichst konsistentes und PR-wirksames Gesamtbild aufbauen.
Ich denke, die Experimente zeigen eindeutig, dass diese `Pressesprecher´ sehr geschickt die Löcher in der Information stopft, ohne dass dieser Vorgang den Betroffenen bewusst ist. Dies gilt nicht nur für Sinnesreize, sondern insbesondere auch für Gefühle. Welches Gefühl wir erleben, ist eine Frage der Interpretation des Pressesprechers.
3. Verarbeitung: Muss Denken bewusst ablaufen?
Die Experimente in diesem Kapitel sollen die folgende These aus dem Kapitel Wozu ist Bewusstsein gut? stützen:
These: Die Verarbeitung von Informationen, insbesondere die alltägliche Routine, läuft vor allem unbewusst ab. Bis zu einem gewissen Grad gilt dies sogar für das Suchen nach der Lösung eines abstrakten Problems. Was mit Sicherheit nicht kommuniziert werden muss, ist auch nicht bewusst.
3.1. Ein Paradoxon der künstlichen Intelligenz
Als die ersten Pioniere begannen, Computer zu programmieren und Roboter zu konstruieren, stiessen sie auf ein überraschendes Phänomen: Die Denkaufgaben, die uns schwierig scheinen und die wir nur unter intensivem bewusstem Denken lösen können, können sehr oft sehr gut programmiert werden. Die alltäglichen Handlungen dagegen, die wir ohne den kleinsten Gedanken einfach so erledigen, wie die zu programmieren sind, davon haben wir nicht den geringsten Schimmer.
Computer finden mathematische Beweise, die noch nie davor ein Mensch entdeckt hat. Schachcomputer gewinnen gegen die besten Grossmeister. Aber einen einfachen Satz zu verstehen, wie ihn jedes dreijährige Kind ohne weiteres spricht, ist für einen Computer oder Roboter praktisch unmöglich. Computer schaffen es schon kaum, einzelne gesprochene Wörter in Schrift zu übersetzen. Steven Pinker erklärt die Probleme bei dieser Aufgabe sehr deutlich (Pin 1). Roboter sind extrem unbeholfen, wenn sie nur schon über ein unebenes Gebiet gehen oder eine Waschmaschine einräumen sollen.
Weshalb haben Computer Mühe mit einfachen Dingen, wenn sie doch so schwierige Dinge wie Schach spielen oder Mathematik so gut beherrschen?
Natürlich ist die Frage falsch. Schachspielen und Mathematik sind einfache Gebiete im Vergleich zu einem Spaziergang durch den Wald oder Abwaschen. Unsere Hände haben sich in einer Jahrmillionen langen Evolution dazu entwickelt, zu hantieren. Schachspielen und Mathematik scheinen uns schwierig, weil sie erst seit kurzem zu unseren Beschäftigungen gehören.
Die verwunderliche Frage ist: Weshalb denken wir gerade bei diesen einfachen Aufgaben bewusst? Weshalb können wir ohne zu denken durch einen Wald gehen?
Dieses Paradoxon passt sehr gut zu meiner These in Wozu ist Bewusstsein gut?, dass das Bewusstsein unser Pressesprecher ist. Durch einen Wald zu gehen oder Teller abzuwaschen ist – wenn es in einem sinnvollen Zusammenhang geschieht – zweifellos nützlich. Und zwar unabhängig davon, ob ich mit jemandem darüber diskutieren kann, wie ich das genau gemacht habe. Mathematik oder Schachspielen haben aber nicht den geringsten Wert, wenn ich die Resultate meines Denkens nicht in irgendeiner Weise einem anderen kommunizieren kann. Mein Pressesprecher muss von meinen mathematischen Erkenntnissen oder von meinem Schachzug erfahren, sonst nützt die ganze Denkerei nichts!
Ich behaupte: Bewusst sind nicht die Gedanken, die besonders schwierig sind, sondern die, die ich kommunizieren muss, weil sie sonst wertlos wären. Im Allgemeinen sind abstrakte Gedanken wertlos, wenn sie nicht kommuniziert werden. Deshalb sind uns abstrakte Gedanken eher bewusst als praktische, die wir bei unseren alltäglichen Verrichtungen anstellen.
3.2. Unbewusstes Forschen
Auch ohne Bewusstsein stellen wir sehr komplizierte Überlegungen an. Berühmt ist Kekulés Entdeckung des Benzolrings. Kekulé schreibt in seiner Berliner Rede zum 25jährigen Jubiläum des Benzolrings 1890 (Ans 1):
„Während meines Aufenthaltes in Gent in Belgien bewohnte ich elegante Junggesellenzimmer in der Hauptstrasse. Mein Arbeitszimmer aber lag nach einer engen Seitengasse und hatte während des Tages kein Licht. Für den Chemiker, der die Tagesstunden im Laboratorium verbringt, war dies kein Nachtheil. Da sass ich und schrieb an meinem Lehrbuch; aber es ging nicht recht; mein Geist war bei anderen Dingen. Ich drehte den Stuhl nach dem Kamin und versank in Halbschlaf. Wieder gaukelten die Atome vor meinen Augen. Kleinere Gruppen hielten sich diesmal bescheiden im Hintergrund. Mein geistiges Auge, durch wiederholte Gesichte ähnlicher Art geschärft, unterschied jetzt grössere Gebilde von mannigfacher Gestaltung. Lange Reihen, vielfach dichter zusammengefügt; Alles in Bewegung, schlangenartig sich windend und drehend. Und siehe, was war das? Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz und höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen. Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; auch diesmal verbrachte ich den Rest der Nacht um die Consequenzen der Hypothese auszuarbeiten.“ (Anschütz 1929, II, S. 942)
Auch der deutsche Physiologe und Pharmakologe Otto Loewi, der das entscheidende Element der Wechselwirkung zwischen Nervenzellen entdeckte, hatte die Idee zur Versuchsanordnung dazu in einem Traum, nachdem er lange vergeblich darüber nachgedacht hatte (Cal 1). Weitere Beispiele für Entdeckungen im Traum findet man bei Richard Wiseman (Wis 1): Der Golfspieler Jack Nicklaus kam in einem Traum auf eine Idee, wie er seinen Golfschläger besser halten kann, wodurch er einen sprunghaften Fortschritt machte. Elias Howe, der die erste Nähmaschine erfand, hatte seine entscheidende Idee im Traum. Paul McCartey erzählte, das Lied “Yesterday” habe er in allen Details im Traum gehört.
Albert Szent-Györgyi, der das Vitamin C entdeckte, berichtet (Cal 1):
„Zunächst muss ich sehr intensiv über ein Problem nachdenken, auch wenn dieses Nachdenken zu nichts führt und bloss ein unerlässlicher Zündvorgang ist. Da ich das Problem nicht lösen kann, lasse ich es in mein Unterbewusstsein absinken. Dort verweilt es unterschiedlich lange. Irgendwann wird die Lösung unverhofft an mein bewusstes Denken übermittelt. Mein Gehirn hat vermutlich gearbeitet wie das ungarische Abführmittel, von dem es in der Werbung hiess: „Während Sie schlafen, tut es seine Arbeit.“
Für mich eines der schönsten Beispiele zum unbewussten Denken stammt von Roger Penrose, einem der herausragendsten Physiker unserer Zeit. Penrose schildert, wie er selbst auf eine mathematisch-philosophische Idee zu schwarzen Löchern kam. Er hatte sich intensiv mit einem Problem um schwarze Löcher herumgeschlagen, ging an diesem Tag aber mit einem Kollegen den Weg ins Büro und war mit ihm in ein Gespräch zu einem ganz anderen Thema verwickelt. Während sie eine Seitenstrasse überquerten, stockte die Unterhaltung kurz. Penrose schreibt (Pen 1):
„Offensichtlich war mir in diesen wenigen Augenblicken eine Idee gekommen, aber dann löschte die nachfolgende Unterhaltung sie aus meinem Geist!
Im Laufe des Tages kehrte ich allein in mein Büro zurück. Ich erinnere mich, dass mich ein seltsames Gefühl freudiger Erregung erfasste, das ich mir nicht zu erklären wusste. Ich liess die verschiedenen Geschehnisse des Tages Revue passieren und versuchte unter ihnen den Grund für diese Hochstimmung herauszufinden. Nachdem ich zahlreiche ungeeignete Möglichkeiten ausgeschlossen hatte, rief ich mir schliesslich den Gedanken ins Bewusstsein, den ich beim Überqueren der Strasse gehabt hatte: Er hatte mich augenblicklich entzückt, weil er nämlich die Lösung des Problems lieferte, das ständig in meinem Hinterkopf umhergegeistsert war! …
Zwar dauerte es noch einige Zeit, bis der Beweis vollkommen streng formuliert war, aber meine Idee, beim Überqueren der Strasse war dazu der Schlüssel gewesen.“
„Ich vermute, dass selbst beim plötzlichen, anscheinend vom Unbewussten fix und fertig hervorgebrachten Erkenntnisblitz das Bewusstsein der Schiedsrichter ist…“
Zu weiteren unbewussten Entdeckungen siehe (Pen 1).
Typisch scheint mir die Schilderung von Roger Penrose, der sich zwar plötzlich sehr gut fühlt, aber keine Ahnung hat, weshalb. Oft haben wir zuerst das Gefühl, wir hätten eine gute Idee. Wir müssen diese Idee dann aber zuerst noch einfangen und in Sprache formulieren, bevor wir sie kommunizieren können. In der Schule erlebe ich das oft, dass Schüler aufstrecken, dann aber erstaunt feststellen, dass sie gar nicht wissen, was sie sagen wollen. Ganz nach dem Motto: Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich gehört habe, was ich sage?
3.3. Wie denken Schachspieler?
Viele der ganz grossen Schachspieler sagen, ein grosser Teil ihres Denkens laufe unbewusst ab. Es beruhe mehr auf Intuition und Bauchgefühl als auf bewusster Rechnerei. Der Grossmeister Capablanka z. B. sagte von sich: „Ich denke überhaupt nicht, ich weiss einfach, was ich spielen muss.“
Vom Schachweltmeister Michael Tal gibt es hierzu eine besonders schöne Anekdote. Tal musste bei einem wichtigen Schachspiel plötzlich an ein Lied denken, bei dem ein Nilpferd aus dem Sumpf gezogen wird. Und er dachte die ganze Zeit darüber nach, wie er das Nilpferd aus dem Sumpf ziehen würde. Plötzlich fiel ihm ein, dass er ja mitten in einem Schachspiel war und dass ihm die Zeit ausging und er machte irgendeinen Zug. Und am nächsten Tag hiess es dann in der Zeitung: „Michael Tal hat nach 40-minütigem Überlegen ein phantastisch durchdachtes und geniales Opfer gebracht und in glänzendem Stil gewonnen.“
3.4. Falsche Erinnerungen
Unter Hypnose kann ein Mensch in eine frühere Altersstufe zurück versetzt werden. Es gibt diverse Berichte, nach denen Menschen bis zu ihrer Geburt oder sogar in ein früheres Leben zurück versetzt werden können. Immer wieder konnte nachgewiesen werden, dass unvorsichtige Hypnotiseure ihren Patienten unbeabsichtigt Pseudoerinnerungen von früheren Leben einprogrammierten (Kos 1). Was ein Mensch unter Hypnose sich vorstellt, erscheint ihm danach als real erlebt. Bei der Scientology Sekte wird diese Technik gezielt angewendet, um die Mitglieder glauben zu machen, sie seien von ihren Eltern in frühester Kindheit schwer misshandelt worden, womöglich schon vor der Geburt. Seriös angewendet hilft die Hypnose aber bei gewissen Amnesien durchaus, das verlorene Gedächtnis wieder zu erlangen.
3.5. Automatisches Schreiben
Bemerkenswerterweise ist es sogar möglich zu schreiben, ohne sich dessen bewusst zu sein (Kos 1). Das sogenannte automatische Schreiben war im 19. Jahrhundert in den Salons sehr beliebt. Man glaubte, dadurch unbewusstes oder gar übersinnliches Wissen anzapfen zu können. Manche Personen scheinen diese Technik so weit entwickelt zu haben, dass sie während des Lesens schreiben konnten, evtl. sogar mit beiden Händen gleichzeitig unterschiedliche Informationen.
Bei einem Experiment, wird z. B. eine Versuchsperson in hypnotische Anästhesie versetzt. Wenn man ihr dann in den Arm sticht, berichtet sie verbal nichts von Schmerzen, sie kann aber doch detailliert aufschreiben, wie oft sie gestochen worden war. Nach der Hypnose ist die Versuchsperson sehr verwundert über ihre eigene Notiz.
Beim automatischen Schreiben werden auch nicht nur einzelne Wörter produziert, sondern ganze Sätze, Texte und sogar Bücher. Die Amerikanerin Pearl Curran verfasste über 5000 Gedichte, ein Theaterstück und mehrere Romane mit dieser Technik (Wis 1).
3.6. Wenn das bewusste Denken stört
Die obigen Beispiele zeigen, dass unser Unbewusstes beeindruckende Leistungen vollbringt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Beispielen, in denen das bewusste Denken stört. Ein besonders fieses habe ich von Thorsten Havener gelernt (Hav 1). Wenn Sie Golf spielen und Ihr Gegner sich selbst überbietet und von Schlag zu Schlag besser spielt, fragen Sie ihn doch mal: “Unglaublich dein Schwung. Wie machst du das denn genau?” – Je ausführlicher der Typ seine Bewegung zu erklären versucht, desto schlechter wird er sie danach ausführen.
Überraschenderweise funktioniert dies sogar bei der Sprache. Wörter, die ich spontan immer richtig schreibe, machen mich oft unsicher, sobald mich jemand danach fragt. Ich beherrsche die Sprache besser, wenn ich nicht darüber reden muss.
Ein bemerkenswertes Experiment zu diesem Störeffekt führten Gordon Logan und Matthew Crump von der Vanderbilt University (USA) 2009 durch. Die Versuchspersonen sollten mit dem Zehnfingersystem einige Wörter tippen. Dabei sollten sie aber jeweils in unregelmässigen Abständen nur die Buchstaben der linken bzw. nur diejenigen der rechten Hand schreiben. Statt z. B. ‘house’ schrieben sie nur ‘hou’ oder nur ‘se’. Durch diese Aufgabe gerieten die Versuchspersonen so durcheinander, dass sie nicht nur langsamer schrieben, sondern auch rund doppelt so viele Fehler machten wie zuvor. Es war aber nicht die Zusatzaufgabe an sich, die die Schreiber verunsicherte. Wenn nämlich die Buchstaben der linken Hand rot und diejenigen der rechten Hand grün gefärbt waren, konzentrierten sich die Schreiber nicht auf ihre Hände, sondern auf die Farben. Dann verschwand der störende Effekt! Sie tippten die gleichen Wörter plötzlich ungehemmt schnell und ohne Fehler. Offensichtlich war die Aufgabe nicht zu schwierig. Es war nur die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper, die den Bewegungsablauf behinderte.
3.7. Zusammenfassung
Die obigen Gedanken und Berichten sollten die folgende These begründen.
These: Die Verarbeitung von Informationen, insbesondere die alltägliche Routine, läuft vor allem unbewusst ab. Bis zu einem gewissen Grad gilt dies sogar für das Suchen nach der Lösung eines abstrakten Problems. Was mit Sicherheit nicht kommuniziert werden muss, ist auch nicht bewusst.
Die alltägliche Routine erfordert einen extremen Rechenaufwand, wie wir von Roboter-Konstrukteuren und von der künstlichen Intelligenz Forschung wissen. Es ist bemerkenswert, dass dies bei uns völlig unbewusst abläuft.
4. Output: Wer steuert meinen Körper?
These: Das bewusste Ich hat wenig bis keine Einsichten in das, was seinen Wünschen, Plänen und Handlungen tatsächlich zugrunde liegt. Das Ich legt sich für seine Handlungen Erklärungen zurecht, mit denen es vor sich selbst und vor anderen bestehen kann; diese haben aber häufig wenig mit den eigentlich bestimmenden Geschehnissen zu tun.
4.1. Das Autorschafts- und Kontroll-Ich
Für jeden Menschen von existenzieller Bedeutung ist die Überzeugung, Urheber seiner Handlungen zu sein. Auch hier kommen aber Störungen vor. Bekannt ist die oft in Gerichtsprozessen gestellte Frage, ob ein Gewaltverbrecher zur Zeit seiner Tat zurechnungsfähig war. (Ich habe zwar nie begriffen, weshalb unzurechnungsfähige Gewaltverbrecher eher frei herumlaufen sollen als berechenbare.)
Häufig wird in diesem Zusammenhang die Frage diskutiert, ob wir über einen freien Willen verfügen. Verschiedene Experimente zeigen, dass wir oft glauben, frei gewählt zu haben, wenn wir eindeutig fremd gesteuert sind.
4.2. Die Experimente von Libet / Haggard und Eimer
Berühmt ist das Experiment von Benjamin Libet, das ich aber in der verbesserten Fassung von Patrick Haggard und Martin Eimer vorstelle (Rot 1). Bei diesem Experiment geht es darum, festzustellen, wann ein bewusster Entscheid im Gehirn sichtbar wird. Libet wollte so ursprünglich beweisen, dass ein bewusster Entscheid die Gehirnaktivität auslöst. Damit hoffte er die dualistische Auffassung zu bestätigen, nach der die Seele den Körper lenkt.
Eine Versuchsperson sollte nach freier Wahl zu einem selbst gewählten Zeitpunkt einen von zwei Knöpfen drücken. Haggard und Eimer beobachteten mittels Elektroenzephalogramm (EEG), wann die Gehirnströme eindeutig asymmetrisch wurden, wann also im Gehirn der Entscheid gefallen war, ob mit der linken Hand die linke Taste oder mit der rechten Hand die rechte Taste gedrückt werden sollte.
Ausserdem musste die Versuchsperson eine Uhr beobachten und angeben, wann sie nach eigenem Empfinden den Entscheid gefällt hatte, welche Taste sie drücken will.
Das Resultat der Experimente von Haggard und Eimer ist umstritten. Bei sechs von acht Personen trat das Gefühl, eine Handlung ausführen zu wollen, erst auf, nachdem der Entscheid dazu in den Gehirnströmen schon sichtbar war. Es hat also nicht der Entscheid die Gehirnströme ausgelöst, sondern die Gehirnströme riefen das Gefühl hervor, etwas zu wollen. Bei den anderen zwei Versuchspersonen war es umgekehrt: Sie gaben für ihren bewussten Entscheid einen Zeitpunkt an, zu dem in den Gehirnströmen noch keine Asymmetrie zwischen links und rechts erkennbar war.
Sicher ist: Es kann in einfachen Fällen passieren, dass eine Handlung in unserem Gehirn bereits geplant ist, wir aber noch nichts davon wissen. Dies ist aber keine sehr überraschende Feststellung. Ich ertappe mich sehr oft dabei, wie ich Dinge tue, die ich eigentlich nicht bewusst geplant habe. Heute z. B. wollte ich, nachdem ich Eistee gemischt hatte, das Pulver in den Schrank zurück stellen. Ich öffnete aber den Kühlschrank und unterbrach erst, als ich merkte, dass da kein geeigneter Ort für das Pulver war. Es war nicht völlig abwegig, den Kühlschrank zu öffnen, denn ich wollte da eine Zitrone rausnehmen. Aber bewusst geplant hatte ich das nicht, sonst wäre ich nicht so schwungvoll mit dem Pulver dort reingefahren. Eine typische Freudsche Fehlleistung. Tatsächlich habe ich meine Bewegung erst bewusst wahrgenommen, als sie bereits stattgefunden hatte, also noch viel später als die Versuchspersonen bei Libet, Haggard und Eimer.
Die Experimente von Libet, Haggard und Eimer zeigen also nur, dass nicht alles, was wir tun, durch einen bewussten Entscheid ausgelöst wird. –Keine sehr neue Erkenntnis. Die Experimente sind durchaus noch mit einem Dualismus von Seele und Körper vereinbar, alleine indem man annimmt, die Seele habe auch eine unbewusste Komponente, was ja wohl niemand abstreiten würde, der an eine Seele glaubt. Meiner Ansicht nach schliessen also die Experimente von Libet, Haggard und Eimer die Existenz einer Seele nicht aus.
Etwas weiter geht aber ein Experiment, das William Grey Walter durchführte. Wie in den obigen Experimenten, mass Walter die Hirnströme seiner Versuchspersonen. Dabei liess er sie Dias anschauen, wobei sie selber per Fernbedienung das nächste Dia anklicken konnten. Tatsächlich wurde der Diaapparat aber direkt von den Gehirnströmen gesteuert. Die Versuchspersonen waren erstaunt, dass die Diashow ihre Entscheidungen vorwegzunehmen schien (Wis 1). Sie realisierten also, dass sie das jetzt gerade entscheiden wollten. Sie sahen sich aber selbst nicht als Urheber.
4.3. Beobachtungen bei Split-Brain Patienten
Für seine Pionierarbeit in der Untersuchung von Split-Brain wurde Roger W. Sperry 1981 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Bekanntlich besteht die Grosshirnrinde des Menschen aus einer linken und einer rechten Hälfte, die nur durch den sogenannten Gehirnbalken verbunden sind. In schweren Fällen von Epilepsie, wenn die Verkrampfungen so andauernd und heftig werden, dass Todesgefahr besteht, wird manchmal der Gehirnbalken durchtrennt. Der Grund ist der folgende: Ein epileptischer Anfall ist mit einem Gewitter von elektrischen Impulsen im Gehirn vergleichbar. Wenn der Gehirnbalken durchtrennt ist, kann sich das Gewitter nicht mehr so gut ausbreiten. Es gibt danach zwar noch indirekte Kontakte zwischen den Gehirnhälften, z. B. über das Gefühlszentrum, aber es gibt keine direkte `Telefonverbindung´ mehr.
Da alles, was mit Bewusstsein zu tun hat, ausschliesslich in der Grosshirnrinde stattfindet und da bei diesen sogenannten Split-Brain Patienten nur ein indirekter Kontakt zwischen den Gehirnhälften besteht, ergeben sich sehr verwunderliche Probleme für das Bewusstsein des Patienten.
Die Informationsverarbeitung in einem Gehirn mit durchtrenntem Gehirnbalken ist wie in Abbildung 4 dargestellt. Die eine Seite, meist die linke, ist dominant. Das bewusste Erleben findet ausschliesslich in dieser Seite statt, die Sprachverarbeitung zu einem grossen Teil ebenfalls (Pop 1).
Die Steuerung des Körpers und die Verarbeitung der Seh- und Gehörreize findet überkreuzt statt: Die linke Gehirnhälfte (linke Hemisphäre) steuert die rechte Körperseite und verarbeitet die Seh- und Gehörreize die von rechts kommen. Umgekehrt steuert die rechte Hemisphäre die linke Körperseite und verarbeitet die von links kommenden Bilder und Töne.
Man betrachte die Färbung der Sehnerven in Abbildung 7 genau! Nicht das gesamte Bild des linken Auges geht in die rechte Hemisphäre. Vielmehr wird in beiden Augen die linke Hälfte des Bildes auf der rechten Seite der Netzhaut abgebildet und diese Bilder von den rechten Seiten beider Augen werden in die rechte Hemisphäre weitergeleitet.
7. Abbildung: Gehirn mit durchtrenntem Gehirnbalken von oben.
Die linke Gehirnhälfte (linke Hemisphäre) steuert die Bewegungen der rechten Körperseite und nimmt die von der rechten Seite kommenden Bilder wahr. Ausserdem läuft die Sprachverarbeitung bei den meisten Menschen hauptsächlich in der linken Gehirnhälfte ab.
Die rechte Hemisphäre steuert die Bewegungen der linken Körperseite und nimmt Bilder von der linken Seite wahr. Sie ist tendenziell für Raumwahrnehmung zuständig und kann nur sehr einfache Sprache verarbeiten.
Wenn man den Menschen als raffinierte, vom Gehirn gesteuerte Maschine betrachtet, entsprechen die folgenden Ergebnisse durchaus dem, was wir erwarten. Wenn man sich aber irgendwie eine über dem Gehirn schwebende Seele vorstellt, die gleichsam aus einer höheren Dimension den Körper steuert, dann ist alles sehr erstaunlich.
Sperry zeigte den Patienten auf einem Bildschirm auf der linken oder auf der rechten Seite kurz ein Wort, z. B. „Schraube“. Da die Sprachverarbeitung bei allen von Sperry untersuchten Patienten in der linken Hemisphäre stattfand, konnten diese das Wort nur vorlesen, wenn es auf der rechten Seite des Bildschirms auftauchte. Nichtsdestotrotz konnte auch die rechte Hemisphäre das Wort lesen. Wenn sie aufgefordert wurden, mit der linken Hand den beschriebenen Gegenstand aus anderen heraus zu greifen, so tat ihre linke Hand das. Das bewusst erlebende Ich befindet sich aber in der linken Hemisphäre und wunderte sich deshalb über diese Bewegung. Umgekehrt waren die Patienten nach wie vor nicht in der Lage, den eben gegriffenen Gegenstand zu benennen. Denn das Sprachzentrum liegt ja eben in der linken Hemisphäre.
Für den Split-Brain Patienten sind die Bewegungen der rechten Hand oft überraschend und auch hinderlich. Es kann passieren, dass die eine Hand die Hose anziehen will, während die andere sie auszieht. Oder dass die eine etwas schreiben will, während die andere den Bleistift zerbricht. Bemerkenswerterweise versucht die linke, sprachbegabte und bewusste Hemisphäre die Taten der rechten Körperseite zu interpretieren und zu erklären.
Wenn z. B. auf der linken Seite des Bildschirms ein einfacher Auftrag steht, kann die rechte Gehirnhäfte diesen durchaus lesen. Wenn da z. B. steht: „Geh!“, dann verlässt die Versuchsperson das Zimmer. Wenn man aber nachfragt, weshalb sie hinaus gegangen sei, wird diese Frage von der linken Gehirnhälfte verarbeitet, die ja vom Auftrag gar nichts weiss. Dennoch findet die Versuchsperson erstaunlich schlagfertig eine passende Antwort, z. B.: „Ich wollte mir eine Cola holen.“
Lautet der Befehl an die rechte Gehirnhälfte: „Lache!“, dann begründet die linke das Lachen mit: „Jeden Monat kommt ihr an und macht eure Tests mit uns. Und damit verdient ihr euer Geld.“
Die rechte Gehirnhälfte sucht viel weniger nach solchen Erklärungen und ist mehr der Wahrheit verbunden. Michael Gazzaniga, der mit Sperry zusammengearbeitet hat, schreibt dazu: „Diese Erkenntnisse deuten sämtlich darauf hin, dass der Interpretiert-Mechanismus des linken Gehirns unausgesetzt hart arbeitet, um die Bedeutung von Ereignissen herauszufinden. Er sucht unablässig nach einer Ordnung und einem Sinn, auch wenn dergleichen nicht vorhanden ist – und macht dabei so manchen Fehler. Er neigt dazu, übermässig zu generalisieren, und schafft so häufig eine Vergangenheit, die zwar hätte sein können, aber so nicht war.“ (Michael S. Gazzaniga in Spektrum der Wissenschaft vom Dezember 1998)
Dieses Resultat passt sehr gut zu meiner Interpretation in Wozu ist das Bewusstsein gut? Die zentrale Aufgabe des Ich-Bewusstseins ist die eines Pressesprechers, der begründet, weshalb ich etwas so getan habe und nicht anders.
Gazzaniga beschreibt einen Split Brain Patienten, bei dem nach einiger Zeit auch die rechte Gehirnhälfte Sprachfähigkeit entwickelte und gleichzeitig offensichtlich auch einen eigenen Willen. Z. B. äusserte die linke Gehirnhälfte den Wunsch, ein Zeichner zu werden, während die rechte davon träumte, ein Rennfahrer zu sein (Pen 1).
Beide Gehirnhälften verstehen einfache, geschriebene Fragen. Wird die Frage von der rechten Gehirnhälfte gelesen, so kann die Person zwar nicht mündlich antworten, sie kann aber auf eine Antwort Ja, Nein oder Ich weiss nicht zeigen. Ramachandran befragte einen Split Brain Patienten auf diese Weise nach seiner Einstellung zur Religion. (externer Link Ramachandran). Wenn er die rechte Gehirnhälfte fragte: “Glauben Sie an Gott?”, zeigte die Person mit der linken Hand auf “Nein!” Stellte er aber die gleiche Frage an die linke Gehirnhälfte, so war die Antwort “Ja!” Leider wurde dieses Experiment von Theologen kaum beachtet, obwohl sie tiefgründige theologische Fragen aufwirft. Denn wenn diese Person stirbt, was geschieht dann mit ihrer Seele? Geht dann die rechte Gehirnhälfte in die Hölle, während die linke in den Himmel kommt? – Auf diese Frage kann die Wissenschaft bis heute keine Antwort geben.
4.4. Elektrisch induzierte Bewegungen
Itzhak Fried reizte 1991 den supplementär-motorischen Cortex von Patienten mit schwachen Strompulsen, worauf manche sagten, sie verspüren einen Wunsch oder Drang, die Hand oder den ganzen Arm zu bewegen. Wurden die Strompulse verstärkt, so wurde die gewünschte Bewegung tatsächlich ausgelöst. Fried konnte also auf Knopfdruck bestimmen, die Versuchsperson solle ihren Arm bewegen und die Versuchsperson behauptete, sie habe diese Bewegung aus eigenem Willen ausgeführt.
Dies funktioniert allem Anschein nach nur bei sehr elementaren Bewegungen. Es ist nicht möglich, auf diese Weise einen Menschen dazu zu bringen, gegen seine moralischen Grundsätze zu verstossen. Zumindest würde er solche Handlungen nicht mehr als gewollt empfinden.
Die Versuchsperson findet auch eine mehr oder minder passende Begründung, weshalb sie gerade diese Bewegung ausführen wollte (Rot 1). Man kann Versuchspersonen mittels elektrischer Stimulation bestimmter Gehirnareale zum Lachen reizen. Sie werden immer eine Begründung für ihren Heiterkeitsausbruch finden. Nie sagen sie, sie wüssten nicht, warum sie lachen.
Wann empfinden wir eine Bewegung als gewollt? –Roth schreibt dazu (Rot 1): „Überdies wird im Gehirn vor jeder Bewegung ein Bild derjenigen Rückmeldungen der Muskeln entworfen, die bei der Ausführung der Bewegung zu erwarten ist, und dieses Erwartungsbild wird dann mit den Rückmeldungen über die tatsächlich abgelaufenen Bewegungen verglichen. Diese sensomotorische Rückkopplungs-Schleife ist wichtig, damit die mit der Körper- und Bewegungssteuerung befassten Zentren der Grosshirnrinde feststellen können: „Alles wie geplant ausgeführt!“. Erst dadurch nämlich wird der bewegte Körper zu meinem Körper, nämlich zu dem, der offensichtlich den Befehlen der Grosshirnrinde gehorcht.“
Die meisten unserer Handlungen werden aber gar nicht bewusst ausgelöst und dennoch zählen wir sie zu unseren eigenen und fühlen uns dafür verantwortlich. Man kann sogar den Versuchspersonen mit einer Videokamera vortäuschen, sie würden bestimmte Bewegungen ausführen, während sie sich in Wirklichkeit ganz anders bewegen. Sie glauben auch dann, sie hätten die vorgetäuschten Bewegungen ausgeführt und gewollt (Rot 1).
Bei Schizophrenen funktioniert diese Zuordnung von Bewegungen zum Ich nicht mehr, – darum haben sie das Gefühl, sie könnten den Lauf der Sonne steuern oder würden von einem elektronischen Sender gelenkt.
4.5. Posthypnotischer Auftrag
Beim sogenannten posthypnotischen Auftrag wird einer Versuchsperson unter Hypnose einen Auftrag gegeben, den diese einige Zeit nach der Hypnose ausführen soll. Kossak schreibt dazu (Kos 1):
„Typisch an posthypnotischen Verhaltensweisen ist, dass diese fast wie unter einem Zwang dranghaft ausgeübt werden, sich die Versuchsperson mitunter dagegen zu wehren scheint, sie jedoch dann ausführt. Orne (1988) berichtet hierzu: für eine Demonstration erhält eine Versuchsperson den posthypnotischen Auftrag, nach der Hypnose einen Stuhl auf den Tisch zu stellen. Nach Ende der Hypnose reagiert die Person jedoch nicht darauf und verlässt den Raum. Der Versuchsleiter kann weiterhin den Laborraum heimlich beobachten und dann verfolgen, wie die Versuchsperson einige Stunden nach dem Experiment vorsichtig in den Raum späht, schnell hineingeht und dann hastig den Stuhl auf den Tisch stellt.
Mitunter kann es dabei zu skurrilen Verhaltensweisen kommen, welche die Versuchsperson dann durch ihre Erklärungen für sich in ihrer Dissonanz auflösen will.
So gab LeCron (Cheek & LeCron, 1968, S. 47f.) die Instruktion, dass die Versuchsperson nach der Hypnose ihren Schuh ausziehen und auf den Tisch stellen sollte. Bei der Versuchsperson war dann ein deutlicher innerer Kampf zu beobachten, bis sie schliesslich wie zwanghaft den Schuh auszog, auf den Tisch stellte und die Blumen der Vase daneben hineinstellte. Als sie danach befragt wurde, erklärte sie, dass sei eine Vase in Schuhform habe und nun ausprobiere, wie Blumen darin arrangiert werden könnten.“
Der Posthypnotische Auftrag kann über mehrere Wochen oder gar Monate bestehen bleiben.
Dabei muss aber betont werden, dass Menschen unter Hypnose nicht ihre Persönlichkeit verändern, abgesehen von einer allfälligen Altersregression. Kein Mensch kann mittels Hypnose dazu gebracht werden, etwas zu tun, was er nicht auch im Wachzustand tun würde. Unter Hypnose können falsche Erinnerungen eingepflanzt werden, die danach für real erlebt gehalten werden. Die persönlichen Werte oder Bedeutungsinhalte können aber nicht beeinflusst werden.
Es ist auch nicht so, dass der Hypnotiseur vollkommen die Kontrolle über die hypnotisierte Person übernimmt. Gibt man z. B. einer Person unter Hypnose den Auftrag, einen Stuhl in der Mitte des Zimmers zu vergessen und lässt sie dann im Zimmer umher gehen, so wird sie nicht in den Stuhl stossen, obwohl sie ihn nicht mehr bewusst wahrnimmt. An dieser Paradoxie kann man eine simulierende Person erkennen, weil diese den Stuhl umrennt (Kos 1). Es bleibt also eine unbewusste Kontrolle bei der Versuchsperson, die sie vor unbedachten Handlungen schützt.
4.6. Als aufgezwungen empfundene Bewegungen
Es werden aber durchaus nicht alle vom eigenen Gehirn organisierten Bewegungen als die eigenen empfunden. Bei einem epileptischen Anfall fühlt sich der Betroffene wie von einer äusseren Macht gepackt und durchgeschüttelt. Ein gewöhnlicher Tick kann, -wenn wir ihn denn selber bemerken- sehr unangenehm sein. Die beschriebenen Split Brain Patienten empfinden die Bewegungen, die von der unbewussten Seite gesteuert sind, nicht als ihre eigenen. Und der Mann, der ein ‚fremdes Bein‘ an seinem Körper trägt, besteht darauf, dass die Bewegungen dieses Beins von einem anderen gesteuert werden.
Patienten mit dissoziativer Störung empfinden ihre Handlungen gelegentlich als fremdgesteuert. Sie berichten, eine fremde Stimme habe ihnen befohlen, so zu handeln.
4.7. Zusammenfassung
In diesem Abschnitt wollte ich die folgende These bestätigen.
These: Das bewusste Ich hat wenig bis keine Einsichten in das, was seinen Wünschen, Plänen und Handlungen tatsächlich zugrunde liegt. Das Ich legt sich Erklärungen zurecht, mit denen es vor sich selbst und vor anderen bestehen kann; diese haben aber häufig wenig mit den eigentlich bestimmenden Geschehnissen zu tun.
5. Aufmerksamkeit: Wie ich frei werde
Man könnte denken, die obigen drei Bereiche Input, Verarbeitung und Output reichen, um die Aktivitäten des Gehirns zu beschreiben. Ich denke, theoretisch stimmt dies. Was das Gehirn aber auszeichnet, sind die extrem engen Regelkreise und Rückkoppelungen zwischen den drei Bereichen. Wir nehmen unsere Umwelt wahr, verarbeiten diese Reize bewusst oder unbewusst, reagieren darauf, und unsere Reaktion verändert die Umwelt und auch die Art, wie wir die Umwelt wahrnehmen.
Die Aufmerksamkeit wird in der Bewusstseinsforschung erstaunlich stiefmütterlich abgehandelt. In der Literatur wird das menschliche Denken meist in Analogie zum Computer auf die drei Bereiche Input, Verarbeitung und Output reduziert, aus denen sich schliesslich als emergente Eigenschaft das Bewusstsein ergeben soll. In einer ersten Fassung dieses Artikels habe ich selber nichts darüber geschrieben, weil ich selber meine Aufmerksamkeit nicht auf die Aufmerksamkeit gelegt habe. Als Sekundarlehrer ist mir der Begriff ‘Aufmerksamkeitsstörung’ zwar sehr geläufig und vertraut. Wir alle erkennen den Mangel an Aufmerksamkeit sehr sehr schnell und präzise. Doch die Aufmerksamkeit bleibt rätselhaft.
Ich kann mich also nicht auf einen sehr grossen Fundus an Experimenten oder theoretischen Überlegungen stützen. Welche hervorragende Bedeutung Aufmerksamkeit hat, erkannte ich vor allem dank Reinhard Werth (Wer 1) und Thorsten Havener. Trotzdem will ich diesen so wichtigen Bereich nicht einfach unerwähnt lassen.
These: Durch die engen Regelkreise zwischen Input, Verarbeitung und Output entsteht beim Menschen eine völlig neue Qualität, die es beim Computer nicht gibt: Wir können unsere Aufmerksamkeit bewusst lenken und so unsere Gefühle steuern.
In Abschnitt 2.15. habe ich bereits an einer Reihe von Experimenten gezeigt, dass wir grosse Teile der Welt nicht bewusst wahrnehmen. In Abschnitt 5.1. werde ich zeigen, dass wir uns unablässig immer wieder entscheiden müssen, welche Teile wir wahrnehmen wollen und welche wir nicht beachten. Dabei blenden wir grosse Bereiche der Wirklichkeit völlig aus. Abschnitt 5.2. behandelt die entscheidende Frage, wie wir mit gelenkter Aufmerksamkeit frei werden können und uns in eine bessere Position bringen.
5.1. Die Welt im Fokus
- Experiment
Das erste Experiment ist ein Selbsttest. Im folgenden Film spielen sich drei Basketballerinnen in weissen und drei in schwarzen T-Shirts Bälle zu. Ihre Aufgabe besteht darin, die Pässe der weissen Spielerinnen zu zählen, ohne sich dabei von den schwarzen ablenken zu lassen. Nehmen Sie sich zwei Minuten Zeit für dieses Experiment! Viele Menschen sind überrascht, wie leicht sie sich ablenken lassen. Hier das Experiment: The monkey business illusion. - Experiment
Die Schwierigkeit beim Schiessen besteht darin, dass wir zwei Dinge gleichzeitig machen müssen. Ein Schütze muss die Zielscheibe exakt im Visier behalten und gleichzeitig, den Abzug betätigen. Entgegen der landläufigen Meinung sind Menschen bereits mit diesen zwei ganz einfachen Aufgaben überfordert, wenn sie sie gleichzeitig erfüllen müssen. Ein Mensch kann zu jedem Zeitpunkt nur eine Sache tun. Allein der Gedanke an die Betätigung des Abzugs macht die Schützen für eine kurze Zeit blind.
Reinhard Werth schreibt dazu:
“Die Schützen bemerken zumeist nicht einmal, dass sie kurzzeitig nichts gesehen haben, und glauben, sie hätten weiterhin Kimme, Korn und Ziel in einer Linie gehalten. Allein durch die Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die Betätigung des Abzugs wird also ein Teil der visuellen Welt für einen Sekundenbruchteil nicht registriert.” (Wer 1)
Ein anderer Moment, in dem wir unseren Sehsinn für einen kurzen Moment ausschalten, ist, wenn wir die Augen bewegen. Sehr schön sehen Sie dies, wenn Sie nahe an einen Spiegel heran gehen und sich dann abwechslungsweise ins rechte und ins linke Auge schauen. Eigentlich müssten Sie zwischen den zwei Bildern sehen, wie sich das Auge bewegt. Oder Sie müssten sehen, wie die Welt an Ihnen vorbeizieht. Denn relativ zu Ihren Augen bewegt sich die Welt ja. Beides beobachten Sie aber nicht. Sie sehen Ihre Augen immer nur in Ruhe.
Sie können dies auch so sehen: Stellen Sie eine Uhr mit Sekundenzeiger auf, die keine Töne macht. Blicken Sie immer mal wieder plötzlich auf diese Uhr, als wollten Sie sie überraschen. Manchmal scheint es, als bliebe der Zeiger länger als eine Sekunde stehen. Der Grund dafür ist, dass Sie während der Augenbewegung für kurze Zeit nichts sehen. In dieser Zeit sehen Sie aber auch nicht einen schwarzen Fleck. Vielmehr spielt Ihnen Ihr Gehirn vor, Sie hätten die ganze Zeit die Uhr angeschaut. Man könnte sagen: “Der erste Augenblick zählt doppelt.” (Fis 2)
- Experiment
Dr. Richard F. Haines testete im Auftrag der Nasa elf Piloten in einem Flugsimulator. Die Piloten sollten bei schlechter Sicht eine Landung machen. Als Hilfsmittel wurden ihnen ins Sichtfeldauf eine durchsichtige Scheibe zwei Balken projiziert, auf denen sie den Abstand der Maschine zum Boden ablesen konnten. Die Piloten sahen also gleichzeitig die Höhenangabe und die Piste vor sich. Quer auf der Landebahn stand ausserdem deutlich sichtbar ein grosses Verkehrsflugzeug.
Das Resultat des Experiments war schockierend: Zwei der elf Piloten übersahen das Flugzeug völlig. Acht bemerkten es erst mehrere Sekunden nachdem es in ihr Blickfeld gekommen war. Nur ein Pilot reagierte sofort. (Fis 2)
Wenn ich bedenke, wie viele Autofahrer heute mit einem Navigationssystem fahren, bin ich froh, dass so selten Verkehrsflugzeuge quer auf der Strasse stehen. Mit Spannung erwarte ich die Auswirkungen, wenn Brillen mit eingebautem Bildschirm in Mode kommen…
Wenn wir eine Situation zum ersten Mal sehen, schaffen wir uns einen Überblick. Wenn wir aber kurz wegschauen, überprüfen wir danach nur sehr oberflächlich, ob noch alles beim Alten ist. Dieses kurze Blackout benützen auch Taschendiebe oder Zauberkünstler. Der Zauberer lässt z. B. einen Gegenstand sehr genau überprüfen und versucht dann irgendeinen Trick damit, der aber schief geht. Wie ungeschickt! Etwas später im Programm, nimmt er einen zweiten Anlauf, lässt das Ding noch einmal genau überprüfen und scheitert erneut. So ein Tölpel aber auch! Beim dritten Mal ist das Publikum froh, dass die mühselige Überprüfungszeremonie übersprungen wird. Die haben wir ja schon zweimal gesehen. Und oh Wunder: Jetzt gelingt der Trick!
- Experiment
Lesen Sie bitte dreimal langsam das Wort:
Weinen
Nun vervollständigen Sie bitte das untenstehende Wort:
Tr______
Als Nächstes lesen Sie bitte dreimal langsam das Wort:
Wein
Nun vervollständigen Sie bitte das untenstehende Wort:
Tr______
Je nachdem, um welche Themen unsere Gedanken kreisen, nehmen wir die Welt also völlig anders wahr (Fis 2). Die folgenden Experimente gehen noch weiter in diese Richtung.
5.2. Mit Aufmerksamkeit verändern wir unser Leben
In den Abschnitten 2.4. bis 2.6. habe ich gezeigt, wie sehr unsere Gefühle vom Körper beeinflusst werden. Aus meinem Herzschlag schliesse ich, dass ich eine Frau aufregend finde. Mein verzerrtes Gesicht sagt mir, dass ich in einer gefährlichen Situation bin und schrecklich erschrocken bin. Die folgenden Experimente zeigen, dass wir diesen Effekt auch gezielt ausnützen können, um unsere Gefühle und unsere Leistungsfähigkeit zu verändern.
1. Experiment
Dr. Michael Titze Psychologe und Vizepräsident der internationalen Gesellschaft für therapeutischen Humor, HumorCare sagte dazu in einem Interview des «Südwest Fernsehen»:
„Sie können das wunderbar mit einem Bleistifttest herausfinden, welche Muskeln beim Lächeln aktiv sind: Nehmen Sie einen Bleistift quer zwischen die gespannten Lippen und beissen ein wenig zu, damit er fixiert ist. Die Mundwinkel werden gedehnt und erhalten die Position, die sie bei einem echten Lächeln und Lachen auch haben. Dabei sind auch die gleichen Muskeln aktiv wie bei einem echten Lächeln. Das heisst, die Zähne werden gezeigt.
Man kann das Lachen genauso trainieren wie zum Beispiel Aerobic. Eine Möglichkeit ist die sogenannte Therapie des bewussten Lächelns. Da wird die Übung eingesetzt, die wir gezeigt haben mit dem Bleistift. Das heisst, das Benutzen der richtigen Lachmuskeln wird regelrecht trainiert. Es ist nachgewiesen worden, dass es spätestens nach 20 Minuten zu den gleichen Veränderungen im Gehirn und Hormonhaushalt kommt wie bei einem echten Lachen.“
Damit wir die Gefühle anderer Menschen nachempfinden können, ahmen wir ständig unbewusst ihre Körperhaltung und Mimik nach. Menschen, deren Stirnmuskeln mit Botox gelähmt wurden, brauchen länger, um in Texten ausgedrückte Gefühle zu erfassen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass eine geeignete Gesichtsmassage die Psyche eines Menschen ganz wesentlich beeinflussen kann, sei das zur Linderung von Depressionen, zum Stressabbau oder auch zur Verminderung diffuser Ängste.
- Experiment
Ekman und Friesen untersuchten sehr gründlich, wie Emotionen unsere Gesichtszüge ändern. Sie fragten sich, ob nicht auch umgekehrt die Gesichtszüge die Emotionen ändern. Auf diese Idee kamen sie, als sie bei einem Experiment mehrere Tage lang üble Laune spielen mussten. Dabei merkten sie, dass sie durch die Schauspielerei tatsächlich missgelaunt und verärgert wurden. Sie untersuchten das Phänomen genauer und fanden ihren Verdacht voll bestätigt: Unser Gesichtsausdruck bewirkt tatsächlich Veränderungen im autonomen Nervensystem. Unsere Gesichtsmuskeln beeinflussen unsere Emotionen. Ekman und Friesen schrieben: “Wenn ich meine Augenbrauen senke, das obere Augenlid hebe, die Lider zusammenziehe und die Lippen zusammenpresse, dann erzeuge ich ein Gefühl des Ärgers. Mein Puls steigt um bis zu zwölf Schläge pro Minute, und meine Hände beginnen zu schwitzen. Wenn ich die Gesichtsmuskeln bewege, kann ich das übrige System nicht abschalten. Es ist äusserst unangenehm.” (Hav 3)
Bekanntlich wird das Nervengift Botox als Jungbrunnen verwendet, indem es die Gesichtsmuskulatur lähmt und so die Gesichtsfalten verringert. In Abschnitt 2.6. habe ich Bedenken geäussert, dass eine Botox-Behandlung buchstäblich das Gefühlsleben lähme. Bei schwer depressiven Menschen könnte aber genau das erwünscht sein. Es besteht Hoffnung, dass hartnäckige Depressionen mit Botox gelindert werden können (siehe externer Link Scientific American). Ich empfehle trotz allem, es zuerst mit Gesichtsmassagen zu versuchen.
- Experiment
Lassen Sie ihre Schultern und Ihren Kopf hängen. Sie fühlen sich sogleich trauriger oder zumindest nachdenklich. Wenn Sie zur Decke oder zum Himmel blicken, hellt sich Ihre Stimmung auf. Ausser Sie haben berechtigte Gründe, traurig zu sein.
Thorsten Havener berichtet von einer Klinik, in der dies benützt wurde, um Depressionen zu heilen: Den depressiven Patienten legte man eine Halskrause an. Diese zwang die Patienten, den Kopf nach oben zu halten und nicht mehr nach unten zu schauen. Viele der Patienten fühlten sich damit nach wenigen Tagen sehr viel besser und konnten entlassen werden. Amerikanische Telefonseelsorger fordern Suizid gefährdete Anrufer auf, an die Decke zu schauen (Hav 1).
- Experiment
Der Körpersprache-Forscher Samy Molcho schlägt folgendes Experiment vor (Hav 3):
Versuchen Sie, mal so richtig dumm auszusehen (das gelingt nicht allen gleich gut). Öffnen Sie Ihren Mund, lassen Sie Ihren Unterkiefer herabhängen, reissen Sie verdutzt die Augen auf. Rechnen Sie: Wie viel ist
7 * 8 + 12?
Sie werden viel länger haben, um die Lösung zu finden und Sie werden versucht sein, Ihren Mund zu schliessen. Der Gesichtsausdruck kann also nicht nur unsere Gefühle, sondern auch unsere intellektuelle Leistungsfähigkeit beeinflussen. Wie weit dies geht, zeigt ein anderes Experiment (Hav 3).
Studenten mussten Fragen aus dem Spiel ‘Trivial Pursuit’ beantworten. Die eine Hälfte der Studenten sollten sich davor fünf Minuten lang in die Köpfe von Hooligans hineinversetzen. Die andere Hälfte sollte sich fünf Minuten vorstellen, sie seien Professoren. Die Hooligan-Gruppe beantwortete danach 42,6 Prozent der Fragen richtig. Die Professoren-Gruppe erhielt Fragen der gleichen Schwierigkeitsstufe, wusste aber 55,6 Prozent der Antworten!
- Experiment
Der englische Psychologe Richard Wiseman untersuchte, ob Glück und Pech im Leben auf Zufall beruhen oder ob wir das Glück erzwingen oder herbeilocken können. Dazu befragte er in einer grossangelegten Studie Menschen, die sich entweder als Glückspilze oder als Pechvögel bezeichneten. Danach gab er den Versuchspersonen den langweiligen Auftrag, in einer Zeitung die Bilder zu zählen. Irgendwo in der Zeitung aber hatte Wiseman ein halbseitiges ‘Inserat’ versteckt. Der Text lautete: “Gewinnen Sie 100 Pfund, indem Sie dem Versuchsleiter sagen, dass Sie diese Anzeige gesehen hätten.
Die selbsternannten Pechvögel waren so auf das Zählen der Bilder fixiert, dass sie das Inserat übersahen. Wer sich aber selber als Glückspilz sah, hatte auch Augen für den Inhalt der Zeitung und gewann meist auch das Geld. Wiseman schreibt: “Die Optimisten waren positiv, energiegeladen und neuen Gelegenheiten und Erfahrungen gegenüber aufgeschlossen. Die Pechvögel dagegen reagierten zurückhaltend, unbeholfen, ängstlich und waren nicht bereit, die Chancen, die da waren, auch zu sehen und nutzen zu wollen.” (Hav 3)
- Experiment
Die Energie folgt der Aufmerksamkeit (Motto von Thorsten Havener)
Eine besonders reizvolle Variante der obigen Experimente besteht darin, die Aufmerksamkeit anderer zu lenken und dadurch ihre Einstellungen und Gefühle zu beeinflussen. Thorsten Havener (Hav 2) macht eine ganze Reihe von Beispielen dazu. Sie erinnern sich noch: Das war der, der seinen Golfgegner fragt, wie er seine wunderbaren Schläge hinkriegt. Diese Frage rumort dann im Unterbewussten des Gegners derart herum, dass alle seine Fähigkeiten vergessen sind.
Haveners Motto: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Es geht also darum, die Aufmerksamkeit des Gegenübers dahin zu lenken, wo man die Energie haben will. Wenn Sie ein Auto verkaufen wollen, so sagen Sie am Ende des Verkaufsgesprächs besser etwas wie: “Stellen Sie sich vor, wie Sie mit diesem neuen Wagen zu Hause einfahren.” Sagen sie aber auf keinen Fall: “Gibt es noch etwas, was Sie vom Kauf abhalten könnte?” – Mit dieser Frage leitet er die Aufmerksamkeit und damit auch die Energie des potentiellen Käufers auf alle Gegenargumente.
Zusammenfassung
Die Kapitel 2 bis 4 haben gezeigt, dass die Prozesse in unserem Gehirn zu einem überwältigenden Teil unbewusst ablaufen. Das Bewusstsein ist dabei eine Art Pressesprecher, der schlecht informiert ist, aber nach aussen ein möglichst gutes und konsistentes Bild geben will. Das Kapitel 5 zeigt aber, dass der Pressesprecher auch einen Einfluss auf das Ich hat. Auch wenn ich immer nur einen kleinen Ausschnitt der Realität wahrnehme, so kann ich doch bewusst entscheiden, auf welchen Ausschnitt ich meine Aufmerksamkeit fokussieren will. Das Schöne ist: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit! Was ich bewusst betrachte, wird zum Zentrum meines Lebens.
Dies ist ein sehr machtvolles Instrument. Ich werde nämlich in hohem Masse zum Lenker meines Glücks, meiner Leistungsfähigkeit und meiner Gesundheit. Allein dadurch, dass ich meine Perspektive auf die Wirklichkeit schlau wähle.
6. Weiterführende Literatur
6.1. Artikel auf dieser Homepage:
Wozu ist Bewusstsein gut?
Können Computer ein Bewusstsein haben?
Haben Tiere ein Bewusstsein?
Die Evolution der menschlichen Sprache
Freier Willen
6.2. Weiterführende Bücher:
Philip Wehrli, ‚Das Universum, das Ich und der liebe Gott‘, (2017), Nibe Verlag,
In diesem Buch präsentiere ich einen Gesamtüberblick über mein Weltbild: Wie ist das Universum entstanden? Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? Was ist Bewusstsein und woher kommt es? Braucht es dazu einen Gott?
Viele Artikel dieses Blogs werden in diesem Buch in einen einheitlichen Rahmen gebracht, so dass sich ein (ziemlich) vollständiges Weltbild ergibt.
Leserunde bei Lovelybooks zum Buch ‚Das Universum, das Ich und der liebe Gott‘, von Philipp Wehrli (abgeschlossen)
Rezensionen bei Lovelybooks
Rezensionen bei Amazon
Film-Präsentation zum Buch
Nibe Verlag
Kossak Hans-Christian, ‘Hypnose Lehrbuch’, Beltz PVU
Roth Gerhard, ‘Aus Sicht des Gehirns‘ , (2003), Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Sacks Oliver, ‘Der Mann, der seine Frau mit dem Hut verwechselte’, (2001), Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Hamburg
Man kann das menschliche Bewusstsein nicht verstehen, wenn man sich nicht mit dessen Störungen befasst. Der Neurologe Oliver Sacks bietet ein Gruselkabinett menschlicher Verrücktheiten. Wer dieses Buch gelesen hat, sieht den Menschen mit anderen Augen.